Rz. 16

Verstirbt ein Vertragspartner eines Grundstückskaufvertrages vor der Übertragung des Eigentums, ist es für die Erben von Bedeutung, ob das Grundstück – aus der Sicht der Erben des Verkäufers – noch oder – aus der Sicht der Erben des Käufers – schon in den jeweiligen Nachlass gefallen ist. Ob ein Grundstücks zum Nachlass bei noch nicht – vollständig – erfüllten Grundstückskaufverträgen gehört oder nicht, entscheidet sich allein nach dem Übergang des Eigentums nach BGB. Das im Steuerrecht grds. maßgebende wirtschaftliche Eigentum i. S. d. § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO ist hier nicht von Bedeutung. Zivilrechtlich geht das Eigentum an dem Grundstück gemäß § 873 BGB erst mit der Grundbucheintragung auf den Erwerber über. Weder die Aufgabe von Besitz, Nutzen und Lasten, noch die Auflassung (§ 925 BGB) und Eintragungsbewilligung (§ 13 GBO) bewirken zivilrechtlich einen Wechsel des Eigentums.

 

Rz. 17

Bis zur Grundbucheintragung obliegen dem bisherigen Eigentümer (ggf. seinen Erben) sowie dem Käufer (ggf. seinen Erben) die Rechte und Pflichten insb. dem Kaufvertrag.

Die grds. Anknüpfung an das BGB gilt nicht nur hinsichtlich des Erbrechts selbst, sondern auch hinsichtlich der Frage, was zum steuerpflichtigen Erwerb v.T.w. i. S. v. § 3 ErbStG gehört. Beim Erwerb v.T.w. ist daher ein Grundstück erbschaftsteuerrechtlich bis zur Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch im Nachlass des EL zu erfassen. Daneben sind jedoch die entstandenen Sachleistungsansprüche und -verpflichtungen zu berücksichtigen, soweit sie i. R. gegenseitiger Verträge begründet werden.

Sachleistungsansprüche sind bei gegenseitigen Verträgen mit dem gemeinen Wert des Gegenstandes i. S. v. § 9 BewG zu bewerten, auf dessen Leistung sie gerichtet sind (BFH vom 10.04.1991, BStBl II 1991, 620; BFH vom 26.06.1991, BStBl II 1991, 749; BFH vom 15.10.1997, BStBl II 1997, 820). Bei Ansprüchen auf Übertragung von Grundstücken kommt deshalb eine Bewertung mit dem Grundbesitzwert i. S. d. BewG nicht in Betracht. Sowohl der Sachleistungsanspruch als auch die Sachleistungsverpflichtung zur Gegenleistung sind gesondert anzusetzen und zu bewerten, auch wenn im Besteuerungszeitpunkt noch keine Vertragspartei mit der Erfüllung des Vertrags begonnen hat. Beide entstehen bereits mit dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.

 

Rz. 18

Die vorstehenden Grundsätze gelten nur für Erwerbe v.T.w. i. R.d. § 3 ErbStG. Die vom zivilrechtlichen Eigentumsübergang abweichende Regelung über die Ausführung einer Grundstücksschenkung bleibt davon unberührt. Diese gilt als ausgeführt, wenn die Vertragsparteien die für die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen in gehöriger Form abgegeben haben und der Beschenkte aufgrund dieser Erklärungen in der Lage ist, beim Grundbuchamt die Eintragung der Rechtsänderung zu bewirken. Entscheidend ist demnach, wann die Auflassung nach § 925 BGB sowie die Eintragungsbewilligung i. S. d. § 19 GBO vorliegen (R E 9.1 ErbStR).

 

Beispiel 1 (nach H E 12.2 ErbStH):

E ist Eigentümer eines bebauten Mietwohngrundstücks, dessen gesondert – im Wege des Ertragswertverfahrens – festgestellter Grundbesitzwert 890.000 EUR beträgt. Er veräußert das Grundstück mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 01.09.01 an Käufer K gegen 1.000.000 EUR, zahlbar in zwei gleichen Raten am 01.12.01 und 01.03.02. E und K vereinbaren den Übergang von Besitz und Gefahr, Nutzungen und Lasten mit Entrichtung der 1. Rate am 01.12.01. Nach Entrichtung der 2. Rate am 01.03.02 erklären die Beteiligten formgerecht die Auflassung; K erhält zugleich die den Vorschriften der Grundbuchordnung entsprechende Eintragungsbewilligung ausgehändigt. Die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch erfolgt am 17.05.02.

E verstirbt am:

Variante 1: 10.01.02

Variante 2: 10.04.02

Lösung:

Die im Sachverhalt genannten wirtschaftlichen Einheiten sind auf den Besteuerungszeitpunkt wie folgt anzusetzen und zu bewerten:

Variante 1:

 
Vermögensfall E

Grundvermögen:
– Bebautes Grundstück

Übriges Vermögen:

– 1. Rate, soweit noch vorhanden (Nennbetrag)
– 2. Rate = Kapitalforderung (Nennwert, § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG)


890.000 EUR


500.000 EUR
500.000 EUR
   
Nachlassverbindlichkeit E
EL-Schuld (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG)
– Sachleistungsverpflichtung "Übertragung Grundstück" (§ 9 BewG)

1.000.000 EUR
   

Variante 2:

 
Vermögensfall E

Grundvermögen:
– Bebautes Grundstück

Übriges Vermögen:

– 1. und 2. Rate, soweit noch vorhanden (Nennbetrag)


890.000 EUR


1.000.000 EUR
   
Nachlassverbindlichkeit E
EL-Schuld (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG)
– Sachleistungsverpflichtung "Übertragung Grundstück" (§ 9 BewG)

1.000.000 EUR
   
 

Beispiel 2:

Wie Beispiel 1, nur verstirbt K.

Lösung:

Variante 1:

 
Vermögensfall K

Übriges Vermögen:

– Sachleistungsanspruch "Übertragung Grundstück" (§ 9 BewG)

1.000.000 EUR
   
Nachlassverbindlichkeit K
EL-Schuld (§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG)
– 1. Rate, bereits bezahlt
– 2. Rate = Kapitalschuld (Nennwert, § 12 Abs. 1 Satz 1 BewG)


500.000 EUR
   

Variante 2:

 
Vermögensfall K

Übriges Vermögen:

– Sachleistungsanspruch "Über...

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