Rz. 34

Zur Steuerklasse I Nr. 2 zählen auch Stiefkinder, also die ehelichen, nichtehelichen und adoptierten Kinder des anderen Ehegatten (nicht gemeinschaftliche Kinder). Stiefkinder sind demnach keine Kinder des Erblassers oder Schenkers i. S. d. bürgerlich-rechtlichen Kindsbegriffs und fielen ohne diese explizite Nennung nicht in Steuerklasse I. Mit dem Ehegatten ihres Vaters oder ihrer Mutter sind Stiefkinder nur in gerader Linie verschwägert.

 

Rz. 35

Der Begriff "Stiefkind" wird im BGB nicht verwendet. Soweit er in den Steuergesetzen Verwendung findet, fehlt es an einer Definition. Die Rspr. (BFH vom 19.04.1989, BStBl II 1989, 627) legt ihn nach dem Sinn und Zweck des jeweiligen Steuergesetzes aus. Der BFH sieht in seinem Urteil vom 31.03.1973 (BStBl II 1973, 453) das (anerkannte) nichteheliche Kind des Ehemanns als Stiefkind der Ehefrau an; ebenso das aus einer anderen Ehe stammende eheliche Kind des Ehemannes. Für die Einordnung eines Kindes als Stiefkind kommt es nicht darauf an, ob die die Stiefverwandtschaft begründende Ehe zum Zeitpunkt des Erwerbs noch besteht. Das Stiefkindschaftsverhältnis zum früheren Stiefelternteil dauert auch dann fort, wenn die Ehe durch Tod oder Scheidung aufgelöst wurde (BFH vom 19.04.1989, BStBl II 1989, 627) oder der Stiefelternteil nach Beendigung der Ehe wieder heiratet. Ehe vergeht, Schwägerschaft bleibt bestehen.

 

Rz. 36

Nach dem BFH-Urteil vom 06.09.1989 (BStBl II 1989, 898) setzt der im Erbschaftsteuerrecht geltende und die Stiefkinder umfassende Begriff des Kindes nicht das Bestehen verwandtschaftlicher Verhältnisse im bürgerrechtlichen Sinne voraus (H E 15.1 ErbStH). In seiner Entscheidung geht der BFH davon aus, dass der Gesetzgeber die Stiefkinder in dem gesamten Gefüge der Steuerklassen den Kindern gleichstellen und nicht nur allein den Stiefkindern eine Sonderstellung einräumen wollte, weil er sie in der Steuerklasse I Nr. 2 gesondert aufgeführt hat.

 
Praxis-Beispiel

Ein Stiefkind erbt von seiner Stiefmutter 250.000 EUR. Zusätzlich soll neben dem Stiefkind auch dessen Ehegatte noch 50.000 EUR erben.

Lösung:

Der Erwerb des Stiefkindes von der Stiefmutter wird nach der Steuerklasse I Nr. 2 besteuert. Fraglich ist, ob der Ehegatte des Stiefkindes gegenüber der (Schwiegermutter) Stiefmutter als Schwiegerkind anzusehen und somit sein Erwerb nach der Steuerklasse II Nr. 5 oder nach der Steuerklasse III zu besteuern ist. Nach dem Urteil des BFH vom 06.09.1989 (BStBl II 1989, 898; H E 15.1 ErbStH) ist der Ehegatte ein Schwiegerkind und gehört zu Steuerklasse II Nr. 5.

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