Rz. 188

Die Pflege bzw. der Unterhalt des Erwerbers muss von einer gewissen Regelmäßigkeit und Dauer gewesen sein, über ein übliches Maß der zwischenmenschlichen Hilfe hinausgehen und im allgemeinen Verkehr einen Geldwert haben. Einmalige Botengänge oder unter Nachbarn übliche Erledigungen sind nicht ausreichend. Das FG Niedersachsen hat mit Urteil vom 26.06.2019, ErbStB 2019, 344, eine nachträglich gezahlte "Vergütung" für zuvor erbrachte nachbarschaftliche Hilfeleistungen sogar als Schenkung angesehen, die nicht der Einkommensteuer unterliegt. Unterhaltsleistungen beinhalten bspw. die Finanzierung der Lebenshaltung, auch durch Erbringung von Naturalleistungen (Unterkunft, Verpflegung). Wichtig ist, dass zumindest eine Glaubhaftmachung möglich ist. Der Begriff der Pflege an sich wurde in der Vergangenheit sehr unterschiedlich aufgefasst. Mit Urteil vom 11.09.2013, BStBl I 2014, 114 definierte der BFH Pflege i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG als die regelmäßige und dauerhafte Fürsorge für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden einer wegen Krankheit, Behinderung, Alters oder eines sonstigen Grundes hilfsbedürftigen Person. Dabei reicht es für die Gewährung der Steuerbefreiung aus, dass die Pflege des Erblassers durch seine Hilfsbedürftigkeit veranlasst war. Es ist – mangels fehlender Gesetzesformulierung – nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig i. S. d. § 14 Abs. 1 SGB XI und einer Pflegestufe nach § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI zugeordnet war. Zu den Pflegeleistungen zählen – in Anlehnung an die in § 14 Abs. 4 SGB XI angeführten Hilfeleistungen – die Unterstützung und Hilfe bei den gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Bereich der Körperpflege (z. B. Waschen, Duschen, Kämmen), der Ernährung (z. B. Zubereiten und Aufnahme der Nahrung), der Mobilität (z. B. selbständiges Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen, Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung) und der hauswirtschaftlichen Versorgung (z. B. Einkaufen, Kochen, Reinigen der Wohnung, Spülen, Wechseln und Waschen der Wäsche und Kleidung). Dazu gehören aber auch weitere, nicht von § 14 Abs. 4 SGB XI erfasste Hilfeleistungen, wie die Erledigung von Botengängen und schriftlichen Angelegenheiten, Besprechungen mit Ärzten, Vorsprachen bei Behörden sowie die seelische Betreuung des Erblassers. Gerade bei hilfsbedürftigen Personen kann es erforderlich sein, dass sie einen Ansprechpartner ihres Vertrauens haben, an den sie sich mit ihren Anliegen wenden können.

 

Rz. 189

Das Vorliegen von Pflegeleistungen kann lt. BFH nicht davon abhängig gemacht werden, dass die Vertrauensperson als Betreuer nach den §§ 1896 ff. BGB bestellt war.

Der Abzug des Pflegefreibetrags erfordert, dass der Erwerber die Hilfsbedürftigkeit des Erblassers sowie Art, Dauer, Umfang und Wert der tatsächlich erbrachten Pflegeleistungen schlüssig darlegt und glaubhaft macht. Er trägt insoweit die Feststellungslast. Im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Steuerbefreiung und die damit verbundenen Nachweisschwierigkeiten sind lt. BFH jedoch keine übersteigerten Anforderungen an die Darlegung und Glaubhaftmachung zu stellen. Vielmehr ist bei der Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die tatsächlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllt sind, ein großzügiger Maßstab anzulegen. Insbesondere kann nach Ansicht des Gerichts – der sich die Verwaltung in H E 7.4 Abs. 1 "Übernommene Pflegeleistung als Gegenleistung" ErbStH angeschlossen hat – regelmäßig angenommen werden, dass mit zunehmendem Alter eines Menschen auch dessen Hilfsbedürftigkeit zunimmt. So kann, wenn keine gegenteiligen Anhaltspunkte bestehen, schon bei einem über 80 Jahre alten Menschen von einer Hilfsbedürftigkeit auszugehen sein, ohne dass es hierzu eines Nachweises in Form eines ärztlichen Attests oder vergleichbarer Bescheinigungen bedarf.

Die Unterbringung und Versorgung eines Pflegeempfängers in einem Pflegeheim schließen eine Steuerbefreiung nicht aus. Denn durch die Steuerbefreiung begünstigte Pflegeleistungen können lt. BFH auch gegenüber einer Person erbracht werden, die in einem Pflegeheim lebt.

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