Rz. 10

Bei Erwerben von Todes wegen entsteht die Steuer grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers. Trotz der Fülle an Ausnahmetatbeständen (Buchst. a–j) ist dies tatsächlich der Regelfall, der auf den Erwerb durch Erbanfall, auf Vermächtnisse, Schenkungen auf den Todesfall, Verträge zugunsten Dritter auf den Todesfall und gesetzliche Vermächtnisse mit wenigen Ausnahmen Anwendung findet.

Damit wird dem zivilrechtlichen Prinzip des "Von-selbst-Erwerbs" Rechnung getragen und eine Kenntnis oder gar Annahme der Erbschaft ist nicht erforderlich. Auch etwaige Beschränkungen sind nicht maßgeblich für den Zeitpunkt der Besteuerung.

2.1.1 Allgemeines

 

Rz. 11

Der Tag des Todes ergibt sich aus der Sterbeurkunde. Bei Personen, die verschollen sind, gilt § 49 AO. Danach können Personen nach einer bestimmten Zeit, die von den Umständen ihres Verschwindens abhängt, für tot erklärt werden (s. §§ 3ff. VerschG). Entscheidend ist dann der Zeitpunkt, der im Beschluss über die Todeserklärung angegeben ist (§ 9 Abs. 1 VerschG). Kann nicht bewiesen werden, dass von mehreren gestorbenen oder für tot erklärten Menschen der eine den anderen überlebt hat, so gilt gem. § 11 VerschG die gesetzliche Vermutung, dass beide gleichzeitig gestorben sind. Haben sich diese Personen gegenseitig als Erben eingesetzt, so geht die Erbschaft nicht auf den anderen über, sondern auf den oder die Ersatzerben.

 

Rz. 12

In einer weiteren Ausnahme sind unwirksame Verfügungen von Todes wegen steuerlich dennoch beachtlich, wenn sie tatsächlich durchgeführt werden (s. § 41 AO). Für denjenigen, der als Begünstigter in der unwirksamen Verfügung von Todes wegen bedacht worden ist, kann die Steuer erst mit der Erfüllung durch den wahren Erben entstehen, da erst dadurch feststeht, dass die Voraussetzungen des § 41 AO überhaupt gegeben sind (s. BFH vom 28.03.2007, BStBl II 2007, 461).

 
Praxis-Beispiel

Erblasser E verstirbt am 05. 02. Er hat mit seiner Lebensgefährtin L einen Sohn S. L und E hatten ein Testament aufgesetzt, in dem sie sich gegenseitig zu Erben und ihren gemeinsamen Sohn als Schlusserben eingesetzt hatten. Dieses Testament wurde von L geschrieben und von beiden unterschrieben. Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus einem Einfamilienhaus, das E und L gemeinsam bewohnt hatten. S unterschreibt am 17. 04. beim Notar die Auflassung an L und gibt die Einwilligung zur Eintragung der L im Grundbuch, diese erfolgt am 18. 07.

Lösung:

Da ein gemeinschaftliches Testament nur von Ehegatten errichtet werden kann und L und E nicht verheiratet waren, ist das Testament als Verfügung von Todes wegen des E nichtig, da es von ihm nicht handschriftlich geschrieben war (s. § 2247 Abs. 1 BGB). Die Steuer entsteht daher am 05. 02. zunächst in der Person des S, der gesetzlicher Erbe des E ist. Indem sich S jedoch entschließt, die formnichtige Verfügung des E durchzuführen, entfällt die Steuerpflicht für ihn rückwirkend, sofern er den gesamten Nachlass an L herausgibt. Stattdessen muss L den Nachlass als Erbin versteuern. Die Steuer entsteht mit der Erfüllung durch den echten Erben S. Vergleichbar mit der Besteuerung bei Grundstücksschenkungen wird man hierfür die Auflassung und die Einwilligungserklärung ausreichen lassen müssen, so dass die Steuer für L am 17. 04. entsteht.

 

Rz. 13

Führen die Erben untereinander oder mit anderen Begünstigten (z. B. Vermächtnisnehmern) einen Streit über den Inhalt, die Existenz oder die Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen, und wird dieser Streit durch einen Vergleich oder durch ein rechtskräftiges Urteil beendet, so stellt sich die Frage, ob die Steuer dennoch bereits mit dem Tod des Erblassers entsteht. Der BFH hat dies mit dem Argument bejaht, dass der Erwerb auf dem einheitlichen Erbvergleich beruhe (vgl. BFH vom 01.02.1961, BStBl III 1961, 133). Gottschalk lehnt dies ab, und will zwischen der Steuer auf den Erwerb auf Grund der wahren Rechtslage und dem Erwerb auf Grund des Vergleichs differenzieren, da für den auf dem Vergleich basierenden Erwerb der Tatbestand der Steuerentstehung im Zeitpunkt des Todes des Erwerbers noch nicht verwirklicht worden sei (Gottschalk in T/G/J/G, § 9 Rn. 23). Eine solche Differenzierung ist abzulehnen. Vergleiche sind ohnehin nur dann für die Erbschaftsteuer maßgeblich, wenn ernsthafter Streit zwischen den Beteiligten bestand (s. BFH vom 06.12.2000, II R 28/98, n. v., HFR 2001, 588 m. w. N.). In diesen Fällen wird die zivilrechtliche Rechtslage in der Regel kompliziert und umstritten sein. In solchen Fällen allein für die Frage des Zeitpunkts der Steuerentstehung eine Einschätzung der zivilrechtlichen Rechtslage durch die Finanzverwaltung durchführen zu lassen und darüber dann ggf. auch noch finanzgerichtliche Rechtsstreite führen zu lassen, erscheint unpraktikabel.

 

Rz. 14

Umstritten ist die Frage, ob auch die Ausübung von Gestaltungsrechten, die zivilrechtlich rückwirken, dazu führt, dass die Steuer schon mit dem Tod des Erblassers entsteht. Während Hannes/Holtz (in M/H/H, § 9 Rn. 9 ff.) davon ausgehen, dass die Steuer auch in diesem...

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