2.1 Allgemeines

 

Rz. 7

Die Bewertung von Nutzungen/Leistungen ist nicht nur i. R.d. Erbschaft- und Schenkungsteuer, sondern auch für andere Steuerarten von Bedeutung (§ 1 Abs. 1 BewG), z. B.

  • Grunderwerbsteuer:

    Kaufpreisermittlung beim Hausverkauf auf Rentenbasis oder beim Erwerb eines mit einem Erbbauzinsanspruch verbundenen Grundstücks, dessen Bewertung sich nach § 13 Abs. 1 BewG richtet (BFH-Beschluss vom 29.08.2018, Az: II B 9/18, BFH/NV 2019, 44 Nr. 1);

  • Einkommensteuer:

    Bestimmung von Anschaffungskosten eines vermieteten Grundstücks, wenn sich der Veräußerer an einer Wohnung den Nießbrauch vorbehalten hat;

  • Einkommensteuer:

    Bestimmung von Anschaffungskosten der einzelnen Bilanzpositionen i. R. einer Betriebsveräußerung gegen Rentenzahlungen;

  • Umsatzsteuer:

    Bestimmung des Entgelts bei Verkauf eines zum Unternehmensvermögen gehörenden Gegenstands auf Rentenbasis.

 

Rz. 8

Die Bewertungsvorschriften sind in den § 13 i. V. m. §§ 15 und 16 BewG enthalten. Dabei gilt die Formel:

Jahreswert × Vervielfältiger = Kapitalwert

Der sich nach § 13 BewG ergebende Kapitalwert ist kein gemeiner Wert (Verkehrswert) i. S. d. BGB, sondern ein "reiner Steuerwert" (so z. B. BFH vom 15.06.1956, BStBl III 1956, 252). Muss z. B. ein zeitlich begrenztes (z. B. 10 Jahre) Nießbrauchsrecht i. R.d. § 198 BewG i. V. m. § 199 Abs. 1 BauGB (Öffnungsklausel) in einem Sachverständigengutachten berücksichtigt werden, so ist der Sachverständige nicht an die (steuerliche) Bewertungsvorschrift des § 13 BewG gebunden. Er kann z. B. den Vervielfältiger tagegenau berechnen; er muss auch § 16 BewG nicht beachten. Oftmals wird man in der Praxis jedoch aus Vereinfachungsgründen § 13 BewG zugrunde legen.

Die Bewertung von Nutzungen/Leistungen ist beim Begünstigten und beim Verpflichteten nach den gleichen Berechnungen vorzunehmen.

 

Rz. 9

vorläufig frei

2.2 Nutzungen und Leistungen von bestimmter Dauer (§ 13 Abs. 1 BewG)

 

Rz. 10

Nutzungen und Leistungen von bestimmter Dauer liegen dann vor, wenn das Ende kalendermäßig noch nicht feststeht (z. B. zeitlich begrenzter Nießbrauch, Zeitrente).

 

Rz. 11

Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BewG ist der Kapitalwert zu berechnen. Er wird nach Tabelle 6 des Kapitalisierungserlasses vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810) – entspricht Anlage 9a zum BewG –, unter Annahme eines Zinssatzes von 5,5 % als Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise errechnet. Der Vervielfältiger ist deshalb unabhängig davon anzusetzen, ob die Zahlungen vorschüssig oder nachschüssig, jährlich oder unterjährig entrichtet werden. Maßgebend ist die Laufzeit zum Besteuerungszeitpunkt.

Tabelle 6 stimmt bis auf die Beschränkung auf das 18,6-Fache mit Tabelle 2 überein. Bis auf diese Beschränkung entspricht die Bewertung sinngemäß der Bewertung von in Raten fälligen unverzinslichen Kapitalforderungen (Tilgungsforderungen, s. § 12 BewG).

Einzelheiten (Interpolation, Aufschubzeiten) enthält der Kapitalisierungserlass vom 10.10.2010 (BStBl I 2010, 810).

 

Rz. 12

Der Zinssatz von 5,5 % ist in § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG vom Gesetzgeber verbindlich vorgeschrieben worden und daher grds. auch dann maßgeblich, wenn sich der durchschnittliche Zinssatz für längerfristige Kapitalanlagen über dem Zinssatz von 5,5 % bewegt. Der festgelegte Zinssatz ist ein Normalzinssatz, der sich als mittlerer Wert bewährt hat und der die üblichen Schwankungen des Zinsniveaus am Kapitalmarkt berücksichtigt (vgl. z. B. BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247).

Der (Durchschnitts-)Zinssatz von 5,5 % beherrscht das gesamte Bewertungsrecht (vgl. z. B. § 12 Abs. 3 Satz 2, § 14 Abs. 1 oder § 15 Abs. 1 BewG). Sein Sinn ist darin zu sehen, "zu verhindern, dass sich die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen auf die Bewertung, die längere Zeitspannen umfasst, in einem nicht vertretbaren Ausmaß auswirken" (BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247). Die Anwendung des einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient so der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens als Massenverfahren. Denn die exakte Ermittlung des jeweils maßgeblichen "üblichen" Zinssatzes bereitet Schwierigkeiten, zumal es einen einheitlichen Zinssatz für die vielfältigen Kapitalanlagen nicht gibt. Die Maßgeblichkeit des gesetzlich normierten einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient überdies der Gleichmäßigkeit der Bewertung und Besteuerung (vgl. auch BFH vom 26. August 1955, BStBl III 1955, 278).

Dementsprechend hat der BFH mit Urteil vom 26.11.1986 (BStBl II 1987, 271) darauf hingewiesen, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG nicht bestehen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Er habe im Interesse der gleichmäßigen Anwendung der Steuergesetze eine Regelung getroffen, die für die Bewertung aller wiederkehrenden Leistungen in gleicher Weise gelte und damit zugleich der Vorausberechenbarkeit der Steueransprüche sowie der Verwaltungsvereinfachung diene. Angesichts der Verpflichtung des Staates, bei seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Preisstabilität beizutragen, könne der Zinssatz ...

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