Rz. 12

Der Erwerber von BV, Anteilen von Kapitalvermögen von mehr als 25 % und von land- und forstwirtschaftlichem Vermögen (begünstigtes Vermögen i. S. d. § 13b Abs. 2 ErbStG) soll bei der Erbschaftsteuerzahlung durch Stundung entlastet werden können. Damit wird einem Beschluss des BVerfG Rechnung getragen, der die verminderte Leistungsfähigkeit eines Erwerbers von betrieblich gebundenem Vermögen festgestellt und eine übermäßige Belastung des Erwerbers begrenzt hat (BVerfG vom 22.06.1995, BStBl II 1995, 671), sowie dem Urteil des BVerfG, wonach § 28 ErbStG nicht zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit der Verschonungsregelungen ausgereicht habe (BVerfG vom 17.12.2014, DStR 2015, 31). Die Vorgängerregelung sah u. a. noch das Erfordernis der Existenzgefährdung des Betriebes durch die Erbschaftsteuerzahlung vor, die nun gestrichen ist.

 

Rz. 13

Die praktische Bedeutung der Norm des § 28 a. F. war wegen der schwer zu erfüllenden Voraussetzungen einer Stundung nicht sehr groß (vgl. Jülicher in T/G/J/G, § 28 Rn. 1; Jochum in W/J, § 28 Rn. 15; Kien-Hümbert in M/W, § 28 Rn. 4; Bach/Broekelschen/Maiterth, DStR 2006, 1961, 1967 mit Verweis auf Statistiken des BMF; alle zum bis zum 30.06.2016 anwendbaren Recht) und könnte wegen der Verschonungsmöglichkeiten gem. §§ 13a13b ErbStG für BV sogar nahezu bedeutungslos geworden sein (vgl. Hannes/Holtz in M/H/H, § 28 Rn. 1 für das alte Recht und für das neue Recht unter Verweis auf die Verzinsung von 6 % p. a. für die Stundung). So gibt es auch nahezu keine aktuelle Rechtsprechung zu § 28 ErbStG (vgl. Geck, ZEV 2008, 557, (560)) für den Zeitraum bis 2012). Dies hat sich bislang auch nicht geändert (Wachter, FR 2016, 690, 707). Lediglich zwei Entscheidungen des FG Münster (FG Münster vom 20.11.2017, ZEV 2018, 168 und FG Münster vom 11.03.2021, ZEV 2021, 476) sind zu erwähnen, die sich mit der Stundung nach § 28 Abs. 3 ErbStG bei beabsichtigter Veräußerung und der Stundung von Schenkungsteuern bei einem Grundstück zu Wohnzwecken befasst haben.

 

Rz. 14

Teilweise wurden Forderungen erhoben, die zinslose Stundung auch auf Erwerbe unter Lebenden und auf Anteile an KapG mit einer Mindestbeteiligung auszudehnen. Entsprechende Forderungen, auch Erben von Immobilienvermögen in den Genuss von Stundungsregelungen kommen zu lassen (vgl. https://www.lifepr.de/pressemitteilung/haus-grund-deutschland-ev/Haus-Grund-fordert-Stundung-der-Erbschaftsteuer-fuer-Immobilienerben/boxid/26351, zuletzt abgerufen am 07.12.2021), wurden mit der Einführung des § 28 Abs. 3 ErbStG bedient. Ziel soll die Erhaltung eines funktionierenden Marktes auf dem Wohnungssektor sein, bei dem gerade das Angebot einer Vielzahl von Mietwohnungen durch private Eigentümer einen Gegenpol gegen die Marktmacht großer institutioneller Anbieter setzen soll (s. BT-Drs. 16/11107). Zwangsveräußerungen von Immobilienvermögen zum Zwecke der Begleichung der Erbschaftsteuer sollen vermieden werden. Ob diese Norm allerdings zu einer großen Anwendungsbreite gelangen wird, bleibt abzuwarten, denn auch hier sind die Hürden, die für die Gewährung der Stundung überwunden werden müssen, sehr hoch (vgl. Geck, ZEV 2008, 557, 560). Dagegen sprach bereits die Formulierung im "gleichlautenden Erlass zur Umsetzung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts; Anwendung der geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes vom 25.06.2009 (BStBl I S. 713)"; geändert durch "gleichlautenden Ländererlass vom 29.10.2010 (BStBl I S. 1210) (AE Erb), Abschnitt 43", der ausdrücklich eine Steuertilgung aus eigenem weiteren Vermögen bzw. durch Kreditaufnahme vorsah. Eine entsprechende Regelung ist in R E 28 Abs. 7 Satz 1 ErbStR enthalten, wobei klarstellend ergänzt wird, dass der Stundungsanspruch nur auf die auf das genannte Vermögen entfallende Steuer möglich ist (R E 28 Abs. 1 Satz 1 und 4 sowie Abs. 6 Satz 2 ErbStR).

 

Rz. 15

Allerdings wird auch gefordert, die Stundungsmöglichkeiten auch auf den Erwerb anderer (nicht liquider) Vermögenswerte wie beispielsweise Immobilien und Kunstgegenstände auszudehnen (Wachter, FR 2016, 690, 708).

Schenkungen sind der Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG nach wie vor nicht zugänglich, wohingegen der Erwerb von Anteilen an KapG von mehr als 25 % als Teil des Katalogs aus § 13b Abs. 2 ErbStG nunmehr ebenfalls zum Recht auf einen Stundungsantrag gehören. Auch Liquiditätsprobleme, die durch die fällige Erbschaftsteuerzahlung entstehen, sind weiterhin nicht immer über eine Stundungsregelung abzufangen, da z. B. liquiditätswirksame Pflichtteilsansprüche und Vermächtnisse einer Stundungsregelung nach wie vor nicht zugänglich sind.

 

Rz. 16

Mit der Stundung nach § 28 Abs. 1 ErbStG soll das Verschonungssystem der §§ 13a bis c ErbStG ergänzt und Liquiditätsengpässe vermieden werden, wenn eine "ungeplant angefallene Erbschaftsteuer" entsteht (vgl. Viskorf/Löcherbach/Jehle, DStR 2016, 2425, 2433; Reich, BB 2016, 1879, 1883; Erkis, DStR 2016, 1441, 1445). Eine große praktische Bedeutung der Stundung n...

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