Rz. 462

Zu den unterschiedlichen steuerlichen Gründen für die Ausschlagung s. Rn. 210 ff.

Das vorhandene Gestaltungspotenzial soll an nachfolgendem Beispiel erläutert werden.

 
Praxis-Beispiel

M ist zunächst angenehm überrascht, als sie erfährt, dass sie von ihrem Onkel O aus Amerika das in Oggersheim befindliche Mehrfamilienhaus (Steuerwert 3 Mio. EUR) als Erbschaft erhält. Erste Erkundigungen ergeben jedoch, dass das Mehrfamilienhaus in Oggersheim ein Verdrussobjekt ist und sich dieser Aufgabe ihr einziger Sohn S, ein Immobilienfachwirt, besser annehmen könnte. S, der ohnehin alles erben wird, ist neben seiner Mutter der einzige Verwandte des Erblassers.

Ein einfacher steuerlicher Belastungsvergleich belegt die Notwendigkeit der Ausschlagung, gekoppelt mit der Erbeinsetzung des Sohnes (a)). Als Alternative wird die Annahme der Erbschaft, verbunden mit einer anschließenden Schenkung (b)), diskutiert.

Lösung:

a) Auch wenn der Erblasser O in Amerika wohnt und damit Steuerausländer ist, liegt in beiden Fällen (M wie S als Erbe) ein steuerbarer Erwerb nach § 1 Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a ErbStG vor, da jeweils ein Beteiligter des Erwerbsvorganges Inländer ist. Selbst wenn das MFH in Washington belegen wäre, begründet der Erbfall die Steuerpflicht von M bzw. S als unbeschränkt steuerpflichtige Erwerber.

In beiden Varianten ist von einem Steuerwert von 3 Mio. EUR auszugehen. In der ersten (Ausschlagungs-)Variante kommt eine Eingruppierung von S in Stkl. II nach § 15 ErbStG nicht in Betracht; keine der dort genannten Verwandtschaftsverhältnisse trifft auf S in seinem Verhältnis zu dem Onkel seiner Mutter zu. Der steuerpflichtige Erwerb des S von Todes wegen (Stkl. III) beläuft sich auf 2.969.700 EUR (3 Mio. EUR ./. 10.300 EUR Bestattungskostenpauschale und 20.000 EUR Freibetrag) und wird gem. § 19 Abs. 1 ErbStG mit 30 % besteuert; die Steuer beträgt 890.910 EUR.

b) Demgegenüber sieht die Gegenrechnung der Steuer für die zweite (Schenkungs-)Variante so aus: M befindet sich als Nichte des O in Stkl. II (s. § 15 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG); danach führt der Erbgang (O →M) zu einem steuerpflichtigen Erwerb von 2.969.700 EUR (3 Mio. EUR ./. 10.300 EUR ./. 20.000) und wird gem. § 19 ErbStG ebenfalls mit 30 % besteuert; Steuer darauf: 890.910 EUR).

Die nachfolgende Schenkung (M →S) führt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu einem steuerpflichtigen Erwerb von 2,6 Mio. EUR (3 Mio. EUR ./. 400 TEUR). Bei der gegebenen Stkl. I (19 %) werden für die Schenkung 494.000 EUR Steuer fällig. Die Folgen einer Ausschlagung sind steuerlich auch dann zu berücksichtigen, wenn diese nur aus steuerlichen Motiven heraus erfolgte (s. FG Düsseldorf vom 16.10.1964, EFG 1965, 183).

Fazit: Im Ergebnis sparen M und S bei der Ausschlagung 494.000 EUR Steuern (1.384.910 EUR ./. 890.910 EUR).

 

Rz. 463

Hinweis: Eine Ausschlagung zur Verminderung der Steuerlast kann sich auch anbieten, wenn der Ersatzerwerber im Verhältnis zum Erblasser eine günstigere Steuerklasse aufweist als der Ersterwerber, oder wenn an die Stelle des ursprünglichen Erwerbers mehrere Ersatzerben treten (Ausnutzung mehrerer Freibeträge) (s. Gebel in T/G/J/G, § 3 Rn. 21 ff. mit mehreren Beispielen).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Preißer, Erbschaft- und Schenkungsteuer (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge