Rz. 254

Weitere Voraussetzung für den Vorwegabschlag ist, dass der Gesellschaftsvertrag oder die Satzung eine Regelung vorsieht, nach welcher die Verfügung über die Beteiligung an der Personengesellschaft oder über den Anteil an einer Kapitalgesellschaft auf Personen beschränkt ist, die Mitgesellschafter, Angehörige i. S. d. § 15 AO oder eine Familienstiftung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 sind. Im Zusammenhang mit dem Katalog in § 15 AO ist darauf hinzuweisen, dass der geschiedene Ehepartner oder Enkel der Geschwister nicht als Angehöriger i. S. d. § 15 AO gelten (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 484).

10.2.2.1. Verfügungsbegriff

 

Rz. 255

Nach allgemeinem Sprachgebrauch erstreckt sich eine Verfügung auf die Übertragung unter Lebenden und solche von Todes wegen (Vererbung) (so auch R E 13a.20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStR).

 

Rz. 256

Der (lebzeitige) Verfügungsbegriff ist sehr weit zu fassen (so auch Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 485). Entsprechend der Poolregelung in § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG sind dies zunächst die Fälle der Übertragung des Eigentums an der Beteiligung bzw. den Anteilen (vgl. R E 13b.6 Abs. 4 Satz 1 ErbStR). Aufgrund der zivilrechtlichen Prägung des ErbStG ist fraglich, ob damit nicht nur die Einräumung des zivilrechtlichen Eigentums, sondern auch die Einräumung des wirtschaftlichen Eigentums gemeint ist. Da der wirtschaftliche Eigentümer den zivilrechtlichen Eigentümer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, er also die "tatsächliche Herrschaft" (Ratschow in Klein, AO, § 39 Rz. 20) über das Wirtschaftsgut hat und faktisch wie ein Eigentümer verfügt, ist auch der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums als schädliche Verfügung i. S. d. Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 anzusehen.

 

Rz. 257

Die Verfügungsbeschränkung gilt auch für den Zuwendungsnießbrauch, wenn dem Berechtigten die Stellung als Inhaber der Einkunftsquelle eingeräumt wird. Für den Fall, dass sich nach dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung die Verfügung über die Anteile auch auf das wirtschaftliche Eigentum erstrecken kann, muss der wirtschaftliche Eigentümer dem eng definierten Kreis der genannten Personengruppe angehören. Da sich die Beschränkungen nach Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 bis 3 auch auf Vermögensteile beziehen können (vgl. Abs. 9 Satz 2), sind vom Verfügungsbegriff auch die Einräumung von Unterbeteiligungen und die Übertragung von Teil-Mitunternehmeranteilen betroffen. Vereinbarungen, die hingegen nur eine schuldrechtliche Teilhabe an dem Gesellschaftsergebnis versprechen, wie z. B. die stille Gesellschaft oder Innengesellschaften ohne Beteiligung am Gesamthandsvermögen (bzw. am Vermögen der juristischen Person), genügen nicht diesem Kriterium.

 

Rz. 258

Hinzuweisen ist auch darauf, dass bei ausländischen begünstigungsfähigen Familiengesellschaften die Verfügungsbeschränkungen nach dem jeweiligen Gesellschaftsrecht wirksam sein müssen. Anderenfalls steht dies der tatsächlichen Durchführung entgegen und die Verfügungsbeschränkungen entfalten keine Wirksamkeit (Jülicher in T/G/J/G, § 13a Rz. 484).

10.2.2.2. Verfügungsbeschränkung bei Personengesellschaften

 

Rz. 259

Da bei der GbR und bei der OHG die Übertragung der Gesellschafterstellung die Zustimmung aller Gesellschafter voraussetzt (sog. Grundlagengeschäft mit der Notwendigkeit der Beschlussfassung gem. § 119 HGB), dürfte die Aufnahme einer entsprechenden Bindungswirkung in den Gesellschaftsvertrag bzw. in den Beschluss genügen. Aus Vorsichtsgründen sollte jedoch dennoch der in Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 genannte Personenkreis in den Gesellschaftsvertrag aufgenommen werden.

 

Rz. 260

Bei der KG sind gesetzlich nur die Komplementäre geschäfts- und vertretungsbefugt (§§ 164, 170 HGB). Für den Fall, dass eine KG das Regelstatut des HGB tatsächlich lebt und nicht von der Disponibilität einer abweichenden Geschäftsführungsregel Gebrauch macht und ein Komplementär allein über die Abtretung einer Kommanditbeteiligung zu entscheiden hätte, muss der KG-Vertrag eine – wie von § 13a Abs. 9 ErbStG geforderte – Regelung enthalten. Aber auch für den Fall einer abweichenden Geschäftsführungskompetenz der Komplementäre sollte, wie bereits bei der GbR und der OHG, der Gesellschaftsvertrag eine entsprechende Verfügungsbeschränkung enthalten.

 

Rz. 261

Für den Fall der Übertragung der Beteiligung an der Personengesellschaft aufgrund letztwilliger Verfügung sind die nachfolgenden gesellschaftsvertraglichen Regelungen zu unterscheiden:

  • Wird im Falle des Todes eines KG-Gesellschafters die Gesellschaft aufgelöst, spricht man von einer Auflösungsklausel.
  • Wird im Falle des Todes eines KG-Gesellschafters die Gesellschaft unter Ausschluss und Abfindung der Erben fortgesetzt, spricht man von einer Fortsetzungsklausel; die Mitgesellschafter erwerben kraft Anwachsung (§ 738 BGB) den Gesamthandsanteil des verstorbenen Gesellschafters.
  • Wird dagegen im Falle des Todes eines KG-Gesellschafters die Gesellschaft mit den Erben fortgeführt, so spricht man von einer Nachfolgeklausel.
 

Rz. 262

Daneben werden in der Vertragspraxis häufig auch Regelungen vereinbart, die einem bestimmten Personen...

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