Rz. 1

Die Erbschaftsteuer knüpft an den Übergang von Vermögen auf eine andere Person an. Durch die Anknüpfung an die Verkehrswerte und Steuersätze bis zu 50 % ist die Steuer so bemessen, dass die Steuer regelmäßig nicht aus den Vermögenserträgen bestreitbar ist, sondern der Vermögensstamm selbst angegriffen werden muss. Die Erbschaftsteuer erfüllt damit bewusst auch einen gewissen Umverteilungseffekt.

 

Rz. 2

Innerhalb der engeren Familie – der verfassungsrechtlich geschützten Kernfamilie– also der Steuerklasse I, hat der Gesetzgeber durch größere Freibeträge und einen Steuersatz von maximal 30 % allerdings dafür gesorgt, dass sich das Vermögen in der Regel zwischen zwei Erbschaftsteuerfällen durch Erträge und Wertsteigerungen wieder erhöht, so dass keine dauerhafte Vermögensminderung eintritt. Dies setzt jedoch voraus, dass zwischen den Steuerfällen ein hinreichend langer Zeitraum von einer Generation liegt, wie es normalerweise der Fall ist. Da die Steuerentstehung bei der Erbschaftsteuer vom Tod des Erblassers und damit von nicht kontrollierbaren Faktoren abhängt, können jedoch auch sehr viel kürzere Zeiträume zwischen den einzelnen Erwerben liegen. Diese können das Vermögen erheblich beeinträchtigen und stellen keinen Grund für einen Erlass der Erbschaftsteuer aus Billigkeitsgründen dar.

 
Praxis-Beispiel

Das im Güterstand der Gütertrennung lebende Ehepaar M und F hat ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und ihren Sohn S als Schlusserben. Der unverheiratete S hat selbst eine Tochter, die 16-jährige T. Bei einem Autounfall verstirbt der Ehemann M sofort am Unfallort. Auf dem Weg ins Krankenhaus verstirbt seine Ehefrau F. Auch Sohn S erliegt kurze Zeit darauf seinen Verletzungen. M hat ein Vermögen mit einem Steuerwert von 2 Mio. EUR. F und S hatten kein eigenes Vermögen.

Lösung:

Obwohl es sich um einen mittelgroßen Erwerb in der engsten Familie handelt, würden der Erbin T ohne § 27 ErbStG durch die mehrfachen Erbfälle nur ca. 65 % des Vermögens verbleiben.

 

Rz. 3

Dieser Effekt wird durch § 27 ErbStG abgemildert. Durch diese Vorschrift wird die Steuer auf die folgenden Erwerbe abgesenkt und zwar maximal um 50 %. Allerdings wird die Steuerermäßigung ausschließlich innerhalb der Steuerklasse I gewährt, obwohl die Steuerbelastung in den Steuerklassen II und III sogar noch höher ist. Dies stellt neben den Freibeträgen und den niedrigeren Steuersätzen eine weitere bewusste Begünstigung der engsten Familie dar. Die Beschränkung auf Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums bedeutet wiederum eine Einschränkung, denn der durchschnittliche Zeitraum zwischen zwei Erwerben von Todes wegen ist eine Generation, also ca. 30 Jahre. Dies kommt auch in der Erbersatzsteuer zum Ausdruck (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 27 Rn. 1). Der Gesetzgeber hat sich bewusst dafür entschieden, die Steuerermäßigung nur bei einem sehr engen Abstand zwischen den beiden Erwerben zur Anwendung zu bringen und die Höhe der Ermäßigung nach der Zeit, die zwischen beiden Erwerben lag, gestaffelt.

 

Rz. 4–9

vorläufig frei

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