Rz. 22

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz – StUmgBG) vom 23.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) wurde die Optionsmöglichkeit zur unbeschränkten Steuerpflicht für beschränkt Steuerpflichtige nach § 2 Abs. 3 ErbStG aufgehoben. Zum Ausgleich sind jedoch auch in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht die Freibeträge des § 16 Abs. 1 ErbStG anzuwenden, allerdings nur anteilig, soweit sie innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren auf das Inlandsvermögen für Erwerbe von derselben Person entfallen (§ 16 Abs. 2 ErbStG). Im Einzelnen vgl. Eisele (NWB 2017, 2333).

 

Beispiel 1 (nach Eisele, NWB 2017, 2333):

Ein in Deutschland beschränkt steuerpflichtiges Kind erhält inländisches Grundvermögen im Steuerwert von 400.000 EUR vererbt und hat zwei Jahre zuvor Bankguthaben, Forderungen, die nicht durch inländischen Grundbesitz oder durch inländische grundstücksgleiche Rechte gesichert sind, sowie Schmuck und Hausrat im Wert von insgesamt 600.000 EUR geschenkt erhalten.

Lösung:

Der in Deutschland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht steuerpflichtige Erwerb wird nicht durch den vollen Freibetrag von 400.000 EUR i. S. d. § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG entlastet. Der Freibetrag ist nur anteilig im Verhältnis 400.000 EUR zu 1.000.000 EUR, also mit 160.000 EUR zu gewähren, da er nur insoweit auf das Inlandsvermögen entfällt.

 

Beispiel 2 (nach H E 16 ErbStH):

Eheleute EM und EF leben seit Jahren in Spanien. Im Jahr 01 hatte EM seiner Frau EF ein Familienheim in Spanien geschenkt (Wert von 200.000 EUR). Im Jahr 02 stirbt EM und hinterlässt EF ein weiteres Grundstück in Spanien (400.000 EUR) sowie ein ausschließlich zu Wohnzwecken vermietetes Grundstück in Deutschland mit einem gesondert festgestellten Grundbesitzwert von 800.000 EUR.

Lösung:

Erwerb EF in 01: Der Erwerb unterliegt in Deutschland nicht der Steuerpflicht, da es sich weder um einen Fall der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht handelt, da kein Inlandsvermögen i. S. v. § 121 BewG vorliegt.

Erwerb EF in 02: Der Erwerb des inländischen Grundstücks unterliegt in Deutschland der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), da das Grundstück zum Inlandsvermögen i. S. d. § 121 BewG gehört. Nach § 16 Abs. 2 Satz 2 ErbStG wird der Kürzungsbetrag wie folgt ermittelt:

nicht beschränkt steuerpflichtiges Vermögen (Zehnjahreszeitraum) × Freibetrag § 16 Abs. 1 ErbStG

gesamter Vermögensanfall (Zehnjahreszeitraum)

Im vorliegenden Beispiel beträgt der Kürzungsbetrag demnach:

600.000 EUR × 500.000 EUR : 1.400.000 EUR = 214.285 EUR.

Die Erbschaftsteuer für das Jahr 02 berechnet sich folgendermaßen:

 
Grundvermögen (Mietwohngrundstück im Inland)   800.000 EUR
Verschonung nach § 13d ErbStG   ./. 80.000 EUR
Vermögensanfall (beschränkte Steuerpflicht)   720.000 EUR
Erbfallkostenpauschale (§ 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG)   ./. 10.300 EUR
Bereicherung (§ 10 Abs. 1 Satz 2 ErbStG)   709.700 EUR
persönlicher Freibetrag (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) 500.000 EUR  
Kürzungsbetrag ./. 214.285 EUR  
abzugsfähig 285.715 EUR ./. 285.715 EUR
steuerpflichtiger Erwerb (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 6 ErbStG)   423.900 EUR
Steuersatz = 15 % (§ 19 Abs. 1 ErbStG)    
Erbschaftsteuer   63.585 EUR

Bei der Kürzung des Freibetrags nach § 16 Abs. 2 ErbStG bleibt unberücksichtigt, dass das im Jahr 01 geschenkte Familienheim nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG komplett steuerfrei wäre, wenn es sich um einen Fall der unbeschränkten Steuerpflicht gehandelt hätte. Auch die für das zu Wohnzwecken vermietete Grundstück vom Erwerb 02 gewährte Verschonung nach § 13d ErbStG bleibt bei der Kürzung des Freibetrags außen vor.

 

Rz. 23

In seinem Urteil vom 21.12.2021 (C 394/20) befasste sich der EuGH mit der Frage, ob § 16 Abs. 2 ErbStG mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar ist. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Vorschrift unionsrechtskonform ist.

Im Rahmen einer Erbschafsteuerveranlagung berücksichtigte das FA bei der Berechnung der Erbschaftsteuer für die Kinder einen nach § 16 Abs. 2 ErbStG geminderten Freibetrag. Im Klageverfahren hatte das FG Düsseldorf dem EuGH die Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt, ob § 16 Abs. 2 ErbStG mit Art. 63 Abs. 1 und Art. 65 AEUV vereinbar ist (FG Düsseldorf vom 20.07.2020 (4 K 1095/20).

Begründung: Art. 63 und 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung der Erbschaftsteuer nicht entgegenstehen, die vorsieht, dass im Fall des Erwerbs von im Inland belegenen Grundstücken, wenn zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers weder dieser noch der Erbe seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat hatte, der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage gegenüber dem Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat gehabt hätte, um einen Betrag gemindert wird, der dem Verhältnis des Wertes des nicht der Steuer in diesem Mitgliedstaat unterlieg...

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