A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 79b FGO ist eine Präklusionsvorschrift, die dem Gericht die Möglichkeit gibt, Erklärungen und Beweismittel, die zu spät vorgebracht werden, bei seiner Entscheidung unberücksichtigt zu lassen. Anders als in § 364b AO sind die Fristen jedoch nicht als echte Ausschlussfristen konzipiert, sondern dem Gericht ist bei Vorliegen der Präklusionsvoraussetzungen ein Ermessen eingeräumt. Die Vorschrift dient der Beschleunigung, Straffung und Konzentration des gerichtlichen Verfahrens; sie steht im Kontext mit § 79 Abs. 1 Satz 1 FGO. Im Grundsatz verletzt § 79b FGO nicht das Recht auf Gehör, wenn ausreichend Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde, also insbes. keine zu kurze Frist gesetzt worden war (BVerfG v. 21.02.1990, 1 BvR 1117/89, BVerfGE 81, 264). Von § 79b FGO kann der Vorsitzende bzw. der Berichterstatter Gebrauch machen (s. § 65 Abs. 2 Satz 1 FGO), aber auch der Einzelrichter nach § 6 FGO sowie der konsentierte Einzelrichter (§ 79a Abs. 3 und Abs. 4 FGO; s. § 79a FGO Rz. 4). Ihre Anwendung im Verfahren vor dem BFH ist in § 121 FGO nicht ausdrücklich ausgeschlossen, kommt aber aus rechtlichen Gründen nicht in Betracht, da der BFH grundsätzlich keine Tatsachen zu ermitteln hat. Zur Abgrenzung des § 79b FGO von anderen Präklusionsvorschriften s. Rz. 2.

B. Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Vorsitzende oder der Berichterstatter (§ 79b Abs. 1 Satz 1 FGO) kann dem Kläger nach § 79b Abs. 1 FGO eine Frist setzen zur Angabe von Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. § 79b Abs. 1 FGO ergänzt § 65 FGO (z. B. BFH v. 14.08.2008, X B 212/07, juris), wie aus § 79b Abs. 1 Satz 2 FGO folgt, und überschneidet sich auch damit, denn eine zulässige Klage muss auch die behauptete Rechtsverletzung (§ 40 Abs. 2 FGO) schlüssig erkennen lassen, sodass der Vortrag zur "Beschwer" nicht bloß zur Klagebegründung sondern zu den Musserfordernissen der Klage, der Bezeichnung des Gegenstands des Klagebegehrens gehört (vgl. Fu in Schwarz, § 79b FGO Rz. 7; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 79b FGO Rz. 2; Stalbold in Gosch, § 79b FGO Rz. 11; auch BFH v. 23.01.1997, IV R 84/95, BStBl II 1997, 462). Verlangt man im Rahmen des § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO lediglich eine "schlagwortartige Grobbegründung" (s. § 65 FGO Rz. 5), so gilt § 79b FGO immer dann, wenn das Gericht noch weitere Tatsachen und Erklärungen über die Mindestbegründung hinaus für erforderlich hält (BFH v. 19.01.2007, VII B 50/06, BFH/NV 2007, 946). Andererseits ist für eine Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 FGO kein Raum, wenn der Kläger in hinreichendem Umfang Tatsachen vorgetragen hat, auf die er sein Klagebegehren stützt (BFH v. 14.08.2008, X B 212/07, juris). Eine klare und eindeutige Festlegung, inwieweit Tatsachenvortrag zum schlüssigen Vortrag behaupteter Rechtsverletzung gehört (Rechtsverletzung kann auch in "bloßer" unrichtiger Anwendung bestehenden Rechts liegen), dürfte kaum möglich sein. Jedenfalls ist der entsprechende Vortrag auch geeignet, in Fällen eingeschränkter Anfechtungsbefugnis (§ 42 Abs. 2 FGO) bzw. eingeschränkter Klagebefugnis (§ 48 Abs. 1 Nr. 4 und 5 FGO) Klarheit zu schaffen. Die Fristsetzung nach § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO sollte daher stets mit der Fristsetzung nach § 65 Abs. 2 Satz 2 FGO (s. § 79b Abs. 1 Satz 2 FGO) verbunden werden, betreffen doch beide Anordnungen die Zulässigkeit der Klage. Auf die Anordnung ist innerhalb der in ihr gesetzten Frist vorzutragen, welche Tatsachen, obwohl rechtlich unerheblich, berücksichtigt bzw. welche Tatsachen, obwohl rechtserheblich, nicht berücksichtigt wurden (Seer in Tipke/Kruse, § 79b FGO Rz. 3). Die Fristsetzung ist prozessleitende Maßnahme und als solche unanfechtbar (§ 128 Abs. 2 FGO; st. Rspr., z. B. BFH v. 30.04.2009, VII B 93/09, juris).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

C. Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 79b Abs. 2 FGO kann der Vorsitzende oder der Berichterstatter einem Beteiligten i. S. von § 57 FGO, also nicht nur dem Kläger, unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen (also nicht "ins Blaue" hinein), die sich aus dem bisherigen Vorbringen oder aus den Streitfall betreffenden Akten ergeben haben, zum einen Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen (§ 79b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 FGO). Zum Begriff der Tatsache s. § 173 AO Rz. 3 ff.; zum Begriff des Beweismittels s. § 173 AO Rz. 11. Die Anordnung muss genau angeben, was vom Beteiligten erwartet wird. Eine Fristsetzung nach § 79b Abs. 2 FGO ist demnach nur dann hinreichend bestimmt, wenn die für aufklärungsbedürftig und beweisdürftig erachteten Punkte so genau bezeichnet werden, dass es dem Beteiligten möglich ist, die Anordnung ohne Weiteres zu befolgen. Unzureichend ist es, wenn dem Kläger lediglich aufgegeben wird, "Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung er sich beschwert fühlt" (BFH v. 14.08.2008, X B 212/07, juris). Rechtsausführungen oder schlicht "die Klagebegründung" k...

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