Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 11 Abs. 1 FGO bestimmt die Bildung eines Großen Senats beim BFH. Dem Großen Senat fällt die Aufgabe zu, die Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Steuerrechtsprechung zu sichern. Darüber hinaus eröffnet § 11 Abs. 4 FGO die Möglichkeit der erkennenden Senate, den Großen Senat zur Entscheidung einer grundsätzlichen Rechtsfrage anzurufen.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Zusammensetzung des Großen Senats ist in § 11 Abs. 5 FGO geregelt. Er besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied jedes Senates, dem dieser nicht angehört. Die Mitglieder des Großen Senats – mit Ausnahme des Präsidenten – sowie ihre Stellvertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt (§ 11 Abs. 6 Satz 1 FGO).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Große Senat ist für Divergenzanrufungen (Rz. 4 ff.) und für Grundsatzanrufungen (Rz. 10 ff.) zuständig.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Jeder Senat, der in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats oder des Großen Senats abweichen will, muss eine Entscheidung des Großen Senats herbeiführen (§ 11 Abs. 2 FGO). Es kommt nicht darauf an, ob diese Rechtsfrage in einem zur amtlichen Veröffentlichung bestimmten Urteil oder in irgendeiner anderen Entscheidung (Urteil, Beschluss, vgl. BFH v. 06.05.2014, GrS 2/13, BFH/NV 2014, 1307) behandelt worden ist oder werden soll. Maßgeblich ist, dass mit der betreffenden Entscheidung das seinerzeitige Verfahren abgeschlossen und die nach Meinung des anfragenden Senats nun abweichend zu beantwortende Rechtsfrage endgültig entschieden wurde, z. B. auch in einem Beschluss über die Zurückweisung einer NZB (BFH v. 06.05.2014, GrS 2/13, BFH/NV 2014, 1307). § 11 Abs. 2 FGO greift auch ein, wenn der vorlegende Senat von einer Entscheidung eines Senats abweichen will, von der ein anderer Senat bereits abgewichen ist, der vorlegende Senat aber dem abgewichenen Senat folgen will (BFH v. 22.11.1976, GrS 1/76, BStBl II 1977, 247). Das Gleiche gilt, wenn der erkennende Senat sich der Entscheidung desjenigen Senats anschließen will, der bereits selbst abgewichen ist. Ein Fall des § 11 Abs. 2 FGO liegt auch dann vor, wenn ein in verschiedenen Gesetzen verwendeter gleicher Rechtsbegriff (z. B. Pflegekind) unterschiedlich ausgelegt wird (BFH v. 25.01.1971, GrS 6/70, BStBl II 1971, 274). Von eigenen Entscheidungen kann der Senat ohne Anrufung des Großen Senats abweichen. Ist seit der Entscheidung, von der abgewichen werden soll, die Zuständigkeit für den Fall aufgrund Änderung des Geschäftsverteilungsplans auf den erkennenden Senat übergegangen, braucht der Große Senat dann nicht angerufen zu werden, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, mit der Rechtsfrage nicht mehr befasst werden kann (auch § 11 Abs. 3 Satz 2 FGO). Soll von einer Entscheidung des Großen Senats abgewichen werden, so soll die Vorlage an den Großen Senat nur zulässig sein, wenn in der Zwischenzeit neue rechtliche Gesichtspunkte aufgetreten sind, die bei der ursprünglichen Entscheidung des Großen Senats nicht berücksichtigt werden konnten und/oder neue Rechtserkenntnisse eine andere Beurteilung der entschiedenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten (BFH v. 18.01.1971, GrS 4/70, BStBl II 1971, 207; BFH v. 20.02.2013, GrS 1/12, BFH/NV 2013, 1029). Diese Auffassung ist mit Rücksicht auf § 11 Abs. 7 Satz 3 FGO nicht unbedenklich (gl. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 11 FGO Rz. 11 m. w. N.). Nach BFH v. 10.11.1971, I B 14/70, BStBl II 1972, 222 liegt kein Fall des § 11 Abs. 3 FGO vor, soweit das Gericht im Rahmen des ihm durch § 138 Abs. 1 FGO eingeräumten Spielraums auf der Grundlage zur Ermessensentscheidung tauglicher Gesichtspunkte befindet. Ebenso bedarf es keiner Anrufung des Großen Senats, wenn die frühere Entscheidung eines anderen Senats kumulativ mehrfach begründet ist und die spätere Entscheidung auf einer abweichenden Rechtsauffassung zu nur einer der Begründungen beruht (BFH 22.07.1977, III B 34/74, BStBl II 1977, 838).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die vorgelegte Rechtsfrage muss für den erkennenden Senat von sachentscheidender Bedeutung sein (BFH v. 18.01.1971, GrS 5/70, BStBl II 1971, 244), aber auch für die Entscheidung des Senats, von der der anrufende Senat abweichen will (z. B. BFH v. 09.10.2014, GrS 1/13, BStBl II 2015, 345; BFH v. 14.04.2015, GrS 2/12, BStBl II 2015, 1007; s. Rz. 8). Bestehen in Bezug auf die Rechtsfrage lediglich Unterschiede in der Begründung, nicht aber im Ergebnis der beiden Urteile, liegt keine Abweichung i. S. des § 11 Abs. 2 FGO vor (z. B. BFH v. 19.01.2016, XI R 38/12, BStBl II 2017, 567; BFH v. 01.06.2016, XI R 17/11, BStBl II 2017, 581). Dies ist nicht deshalb zu verneinen, weil der erkennende Senat mit einer anderen rechtlichen Begründung und dann ohne Anrufung des Großen Senats zum gleichen Ergebnis gelangen könnte (BFH v. 26.11.1973, GrS 5/71, BStBl II 1974, 132; BFH v. 21.10.1985, GrS 2/84, BStBl II 1986, 207).

 

Tz. 6

Stand: 2...

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