Schrifttum

Demme, Verfahrensrechtliche Fragen in Zusammenhang mit der Betreuung von Steuerpflichtigen, AO-StB 2010, 150.

A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die der Finanzbehörde eröffnete Möglichkeit, von sich aus für die Vertretung eines Beteiligten zu sorgen, dient der Durchführung des Verfahrens und damit primär dem Allgemeininteresse (Drüen in Tipke/Kruse, § 81 AO Rz. 2; Söhn in HHSp, § 81 AO Rz. 18). Das verdeutlicht auch der sich aus § 81 Abs. 4 AO ergebende Vergütungs- und Regressanspruch. Die Finanzbehörde wird wegen der entstehenden Kosten und des möglicherweise unsicheren Regressanspruches regelmäßig vorab prüfen, ob die Voraussetzungen des § 156 Abs. 2 AO gegeben sind.

B. Voraussetzung für das Ersuchen auf Bestellung eines Vertreters

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Kann ein Verfahren aus den in § 81 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 AO genannten Gründen nicht durchgeführt werden, kommt die Bestellung eines Vertreters nur in Betracht, wenn der Beteiligte nicht ohnehin im Sinne der §§ 34 oder 35 AO vertreten ist oder einen gewillkürten Vertreter i. S. des § 80 AO bestellt hat. Von der in der Vorschrift eröffneten Möglichkeit, für die Bestellung eines Vertreters durch die Finanzbehörde zu sorgen, kann nicht Gebrauch gemacht werden, wenn ein Beteiligter handlungsunfähig und nicht gesetzlich vertreten ist; diese Konstellation ist durch § 81 Abs. 1 AO nicht erfasst. In derartigen Fällen ist für Minderjährige von Amts wegen ein Vormund, für juristische Personen ein Notvorstand zu bestellen.

 

Tz. 3

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Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift kommt in Betracht, wenn für einen handlungsunfähigen Beteiligten zwar ein gesetzlicher Vertreter bestellt ist, dieser aber aus den in § 81 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 AO genannten Gründen selbst nicht imstande ist, seine Funktion im Verfahren wahrzunehmen (Drüen in Tipke/Kruse, § 81 AO Rz. 3).

 

Tz. 4

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Im Einzelnen ist das Verlangen der Finanzbehörde auf Vertreterbestellung nach § 81 Abs. 1 AO in folgenden Fällen denkbar:

 

Tz. 5

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Die Person eines am konkreten Besteuerungsverfahren Beteiligten (s. § 78 AO) ist unbekannt (§ 81 Abs. 1 Nr. 1 AO). Die Finanzbehörde wird jedoch zuvor von Amts wegen Ermittlungen hinsichtlich der Person anstellen müssen (s. § 88 Abs. 1 Satz 1 AO).

 

Tz. 6

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Der Aufenthalt eines abwesenden Beteiligten am Besteuerungsverfahren (s. § 78 AO) ist unbekannt oder der Beteiligte ist an der Besorgung seiner Angelegenheiten verhindert (§ 81 Abs. 1 Nr. 2 AO). Diese Voraussetzung ist z. B. erfüllt, wenn die von der Finanzbehörde an einen Beteiligten abgesandten Schriftstücke mit dem postalischen Vermerk "Empfänger unbekannt verzogen" zurückkommen und weitere Nachforschungen (z. B. beim Einwohnermeldeamt) erfolglos bleiben.

 

Tz. 7

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Ein Beteiligter (s. § 78 AO), der sich im Ausland und zwar auch außerhalb der Europäischen Union und außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums aufhält, ist der vorgesehenen Aufforderung der Finanzbehörde, einen Vertreter zu bestellen, nicht fristgerecht nachgekommen (§ 81 Abs. 1 Nr. 3 AO). Die Aufforderung ist nicht identisch mit derjenigen, einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen (s. § 123 AO), sie muss sich auf die Bestellung eines Vertreters für alle Verfahrenshandlungen beziehen. Die Aufforderung muss dem Beteiligten zugegangen sein bzw. als zugegangen gelten (regelmäßig Zustellung nach § 10 VwZG). Die gesetzte Frist muss angemessen sein und die voraussichtliche Dauer der Übermittlung berücksichtigen.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Beteiligter ist infolge psychischerKrankheit oder körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung nicht in der Lage, im Verwaltungsverfahren selbst tätig zu werden (§ 81 Abs. 1 Nr. 4 AO). Ist der Beteiligte noch in der Lage einen Vertreter (Bevollmächtigten) zu bestellen und diesen zu kontrollieren, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt.

 

Tz. 9

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Ein Besteuerungsverfahren bezieht sich auf herrenlose Sachen, zur Wahrung der sich in Bezug auf die Sache ergebenden Rechte und Pflichten (§ 81 Abs. 1 Nr. 5 AO). Diese Vorschrift, die im allgemeinen Verwaltungsrecht z. B. auf dem Gebiet des Polizeirechts zum Tragen kommen wird (s. § 16 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG), hat im Steuerrecht kaum praktische Bedeutung.

C. Zuständiges Betreuungsgericht bzw. Familiengericht

 

Tz. 10

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Für die Zuständigkeit des Betreuungs- bzw. Familiengerichts ist nach § 81 Abs. 2 AO außer in den Fällen des § 81 Abs. 1 Nr. 4 AO der Sitz der ersuchenden Finanzbehörde maßgeblich. Diese Regelung entspricht deshalb den praktischen Bedürfnissen, weil in diesen Fällen in erster Linie Verhandlungen zwischen dem Gericht und der ersuchenden Finanzbehörde stattfinden werden.

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob die Finanzbehörde das Ersuchen stellt, steht in ihrem pflichtgemäßen Ermessen. Das Gericht hat dem Ersuchen nur dann zu entsprechen, wenn es nach den von ihm von Amts wegen vorgenommenen Ermittlungen (s. § 12 FGG = § 26 FGG ab 01.09.2009) zu dem Ergebnis gelangt ist, das...

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