Schrifttum

Gast-de Haan, Ermessensschranken bei der Aussetzung des Besteuerungsverfahrens nach § 363 Abs. 2 AO, DStZ 1983, 254;

Wendland, Ruhen von Rechtsbehelfsverfahren gemäß § 363 Abs. 2 AO, INF 1991, 459;

Rößler, Verfahrensaussetzung bei verfassungsgerichtlichem Musterprozess vor dem Bundesverfassungsgericht, DStZ 1993, 148;

Löhlein, Die "Zwangsruhe" des § 363 Abs. 2 Satz 2 AO als Steuerrechtsproblem, insbesondere im Hinblick auf die Vermögenssteuer, DStR 1998, 282;

Thouet, Das Ruhen des Verfahrens gemäß § 363 Abs. 2 AO, DStZ 1999, 87;

Bergan/Martin, Die Verfahrensruhe nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO – Zwang ohne Ausweg?, DStR 2006, 1923.

A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 363 AO gibt der Finanzbehörde die Möglichkeit in die Hand, das Verfahren vorübergehend stillzulegen und nicht fortzusetzen. Der Stillstand des Einspruchsverfahrens darf wegen des Gebots der Verfahrensbeschleunigung nur aufgrund besonderer gesetzlicher Ermächtigung eintreten (BFH v. 21.07.1967, VI B 8/67, BStBl III 1967, 783). Nach § 363 AO ist er gerechtfertigt, weil ansonsten die Gefahr sich widersprechender Rechtsentscheidungen besteht. § 363 Abs. 1 AO und § 363 Abs. 2 AO stehen unabhängig nebeneinander. Liegen jedoch die Voraussetzungen der Zwangsruhe (§ 363 Abs. 2 Satz 2 AO) vor, geht diese den übrigen Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung vor (Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 32). Gleiches gilt für die entsprechende Anwendung der §§ 239ff. ZPO für die Unterbrechung. Zur Unterbrechung wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens § 251 AO Rz. 23 ff.

B. Aussetzung des Verfahrens (§ 363 Abs. 1 AO)

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gemessen am Zweck der Vorschrift (Vermeidung divergierender Sachentscheidungen), ist eine Aussetzung nur dann gerechtfertigt, wenn die Sachentscheidungsvoraussetzungen vorliegen und eine Sachentscheidung getroffen werden kann. Es muss also ein zulässiger Einspruch eingelegt worden sein. Ferner muss die Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, das Gegenstand eines anderen Verfahrens ist, abhängig sein. Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist weit auszulegen (FG BW v. 15.11.1968, II 905/67 Z, EFG 1969, 136). Es kann sich sowohl um ein zivilrechtliches als auch ein öffentliches, auch steuerrechtliches Verhältnis handeln (BFH v. 01.12.1992, VII B 229/91, BFH/NV 1994, 479). Das Verhältnis kann zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzbehörde bestehen, zu anderen Finanzbehörden oder zu anderen natürlichen oder juristischen Personen. Eine einzelne Rechtsfrage ist kein Rechtsverhältnis in diesem Sinne (BFH v. 23.01.1974, II B 68/73, BStBl II 1974, 247 zur Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm). Ist im Einspruchsverfahren ein Steueranspruch streitig, ist ein Steuerstrafverfahren, in dem ebenfalls über diesen Anspruch entschieden werden soll, kein anhängiges Rechtsverhältnis i. S. von § 363 Abs. 1 AO (Gast-de Haan, DStZ 1983, 254; Dumke in Schwarz/Pahlke, § 363 AO Rz. 10; Brandis in Tipke/Kruse, § 363 AO Rz. 6; a. A. Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 100 f.; Rätke in Klein, § 363 AO Rz. 6).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Rechtsverhältnis muss Gegenstand eines anderen Rechtsstreits sein bzw. von einem Gericht oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen sein. Ein anderes Verwaltungsverfahren muss noch nicht begonnen haben. Entgegen dem Gesetzeswortlaut lässt die Rspr. es auch genügen, wenn die aussetzende Behörde dem Einspruchsführer aufgibt, den Rechtsstreit anhängig zu machen (BFH v. 23.02.1988, VII R 52/85, BStBl II 1988, 500; BFH v. 24.04.1986, VII R 98/85, BStBl II 1986, 561; BFH v. 06.08.1985, VII B 3/85, BStBl II 1985, 672; Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 93; Brandis in Tipke/Kruse, § 74 FGO Rz. 6; a. A. Dumke in Schwarz/Pahlke, § 363 AO Rz. 12).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Entscheidung über das Rechtsverhältnis muss für die Entscheidung über den anhängigen Einspruch vorgreiflich sein, d. h. die Einspruchsentscheidung muss ganz oder zum Teil von der im anderen Rechtsstreit abhängig sein. Die vorgreifliche Entscheidung muss jedoch nicht bindend sein, vielmehr genügt irgendein rechtlicher Einfluss (BFH v. 18.07.1990, I R 12/90, BStBl II 1990, 986; BFH v. 21.08.1986, VI B 91/85, BFH/NV 1987, 43). Ob das Verfahren wegen einer vorgreiflichen Entscheidung auszusetzen ist, entscheidet die berufene Finanzbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen (Birkenfeld in HHSp, § 363 AO Rz. 126; Rätke in Klein, § 363 AO Rz. 10). Gefordert wird eine rechtliche Abhängigkeit; wirtschaftliche Abhängigkeit reicht nicht (BFH v. 02.09.1986, VII B 52/86, BFH/NV 1987, 172). Vorgreiflich ist der Zivilrechtsstreit über die Anfechtung eines Grundstückskauf für den Einspruch gegen den Grunderwerbsteuerbescheid, die Entscheidung über bestrittene Besteuerungsgrundlagen im Verfahren gegen den Grundlagenbescheid für das Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid (BFH v. 30.08.1994, IX R 73/93, BFH/NV 1995, 568), auch bei fehlendem Grundlagenbescheid, wenn ungewiss ist, ob ein Feststellungsverfahren durchzuführen ist (BFH v. 01.02.1992, IV R 11/89, BFH...

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