Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift begründet keine Pflichten; sie gibt nur einen allgemeinen Grundsatz wieder.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Verpflichtungen, die Vertretern oder Verfügungsberechtigten i. S. der §§ 34 und 35 AO obliegen, finden ihr Ende mit dem Erlöschen der Vertretungsmacht oder der Verfügungsmacht. Das bedeutet nicht, dass der Betreffende mit diesem Zeitpunkt seiner Verpflichtungen schlechthin ledig wird. Soweit es sich um Verpflichtungen handelt, die vor dem Erlöschen entstanden sind, in diesem Zeitpunkt aber noch nicht erfüllt waren, sind die betroffenen Personen zur Erfüllung weiter verpflichtet, auch wenn die Vertretungs- oder Verfügungsmacht inzwischen erloschen ist. So ist beispielsweise eine Steuererklärung, die vor dem fraglichen Zeitpunkt abzugeben war, aber noch nicht abgegeben ist, von dem Verpflichteten noch abzugeben. Zweck der Vorschrift ist es auch, der Finanzbehörde den Zugriff auf das – möglicherweise alleinige – Wissen des ausgeschiedenen Verpflichteten zu sichern. Ein vor Erlöschen der Vertretungsmacht verwirklichter Haftungstatbestand erlischt selbstverständlich nicht mit dem Erlöschen der Vertretungsmacht (BFH v. 25.04.2013, VII B 245/12, BFH/NV 2013, 1063).

 

Tz. 3

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Die gesetzliche oder satzungsmäßige Vertretungsmacht i. S. des § 34 AO endet mit dem Wegfall ihres Grundes, z. B. mit dem Tod oder der Volljährigkeit des Vertretenen, mit der Beendigung einer Vormundschaft oder Pflegschaft oder mit dem Entzug der Verfügungsbefugnis in der Insolvenz (§ 80 InsO; zur Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters s. §§ 21f. InsO; BFH v. 30.12.2004, VII B 145/04, BFH/NV 2005, 665; FG SchlH v. 25.05.2004, 5 V 85/04, EFG 2004, 1345), bei Gesellschaften mit der Abberufung des Geschäftsführers (Vorstand) oder mit der Auflösung der Gesellschaft. Schließt sich an die Auflösung eine Liquidation an, so endet die Vertretungsmacht des Liquidators nicht vor dem Ablauf des Sperrjahres bzw. vor Beendigung der Auseinandersetzung.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Beruht in den Fällen des § 35 AO das Auftreten des Verfügungsberechtigten auf einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht (Vollmacht), so bestimmt sich die Dauer der Vertretungsmacht zwar nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis (z. B. Auftrag, Dienstvertrag, Geschäftsbesorgungsvertrag; § 168 BGB). Hiernach entscheidet sich auch, ob die Vollmacht widerruflich ist und welchen Einfluss der Tod des Vollmachtgebers auf das Bestehen der Vollmacht hat. Sie endet auf jeden Fall mit dem Tod des Bevollmächtigten. Da aber § 35 AO nicht auf das zugrunde liegende Rechtsverhältnis, sondern darauf abstellt, wer als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, kommt es für das Erlöschen der durch dieses Auftreten begründeten Pflichten vielmehr darauf an, von wann ab der Betreffende nicht mehr als solcher auftritt und sich nach außen hin von dieser Position lossagt (FG Nds v. 06.06.2008, 11 K 573/06, EFG 2009, 1610: faktischer Geschäftsführer). Nur die vor diesem Zeitpunkt entstandenen, aber noch nicht erfüllten Pflichten betrifft die Regelung des § 36 AO (s. Rz. 2); diese Pflichten sind also noch zu erfüllen.

 

Tz. 5

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Die Heranziehung des früher mit der Vertretungs- oder Verfügungsmacht Ausgestatteten findet jedoch dort ihre Grenzen, wo der Verpflichtete sie nicht mehr erfüllen kann. So kann z. B. ein Vermögensverwalter nach Beendigung der Verwaltung selbstverständlich nicht mehr dafür sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet werden, die er verwaltete (s. § 34 Abs. 1 Satz 2 AO). Gleichwohl wird er regelmäßig z. B. noch in der Lage sein, über steuerlich relevante Geschäftsvorfälle aus der Zeit seiner Verwaltungstätigkeit Auskunft zu erteilen

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Soweit nach § 36 AO noch Pflichten fortdauern, handelt es sich um Pflichten eines Steuerpflichtigen i. S. des § 33 Abs. 1 AO, die keine fremde Steuersache i. S. des § 33 Abs. 2 AO betreffen. § 107 Satz 1 AO (Anspruch auf Entschädigung in entsprechender Anwendung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen) greift daher nicht ein (s. § 107 Satz 2 AO).

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