A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift korrespondiert mit § 236 AO. Während § 236 AO einen Ausgleich für den Vermögensschaden schafft, der dem obsiegenden Kläger erwachsen ist, sind die Aussetzungszinsen das Entgelt für den Fiskus für die durch die Aussetzung gewährte Kapitalnutzung (BFH v. 25.07.1995, IX R 38/93, BStBl II 1995, 835 m. w. N.; BFH v. 29.09.2010, XI B 74/09, BFH/NV 2011, 194; BFH v. 01.07.2014, IX R 31/13, BStBl II 2014, 925). Zugleich soll die Vorschrift vermeiden helfen, dass Prozesse nur geführt werden, um den Fälligkeitszeitpunkt zinslos hinauszuschieben (Loose in Tipke/Kruse, § 237 AO Rz. 1). Allerdings kommt bei geringen Erfolgsaussichten eine Aussetzung der Vollziehung in der Regel ohnehin nicht in Betracht, weil die Aussetzung – abgesehen von den Fällen der unbilligen Härte – ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids voraussetzt.

B. Anwendungsbereich

 

Tz. 2

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Aussetzungszinsen entstehen nur bei ganz oder teilweiser erfolgloser Anfechtung eines Steuerbescheids, einer Steueranmeldung oder eines einen Steuervergütungsbescheid aufhebenden oder ändernden Verwaltungsakts. Voraussetzung ist stets, dass sich die Aussetzung der Vollziehung auf eine wirksam festgesetzte Steuer bezieht. Fehlt eine Wirksamkeitsvoraussetzung, z. B. wegen mangelnder Bestimmtheit des VA oder fehlender Bekanntgabe oder auch bei Nichtigkeit des Bescheides, geht eine AdV ins Leere, sodass auch für eine Festsetzung von Aussetzungszinsen kein Raum ist (BFH v. 04.06.2008, I R 72/07, BFH/NV 2008, 1977). Bei Aussetzung der Vollziehung von Haftungsbescheiden tritt ebenso wenig Zinspflicht ein wie bei Aussetzung der Vollziehung eines Rückforderungsbescheids. Steuerliche Nebenleistungen werden nicht verzinst (§ 233 Satz 2 AO). Ebenso wenig können Bescheide i. S. des § 218 Abs. 2 AO, soweit sie selbst Anspruchsgrundlage geworden sind und ihre Vollziehung ausgesetzt wurde (s. § 218 AO Rz. 14), eine Verzinsung des geschuldeten Betrags zur Folge haben. Die Anwendung der Vorschrift auf Aufteilungsbescheide (§ 279 AO) kommt schon mit Rücksicht auf die Sonderregelung des § 277 AO nicht in Betracht. Schließlich können wegen § 233 Satz 2 AO Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen nicht Gegenstand der Verzinsung nach § 237 Abs. 1 AO sein.

 

Tz. 3

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Die Zinspflicht entsteht auch bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (Art. 114 UZK). Art. 45 UZK enthält allerdings eine eigenständige Regelung über die Aussetzung der Vollziehung, ohne aber die Frage der Verzinsung des ausgesetzten Abgabebetrags anzusprechen. Als Ergänzung zum Rechtsbehelfsverfahren finden jedoch die Regelungen über die Verzinsung entsprechende Anwendung (Rüsken in Klein, § 237 AO Rz. 3).

C. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Gegenstand der Verzinsung

 

Tz. 4

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Gegenstand der Verzinsung ist der geschuldete Betrag, hinsichtlich dessen die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes oder eines Folgebescheids ausgesetzt oder aufgehoben wurde. Die Rechtsfolge der Verzinsung tritt nicht im Zusammenhang mit der Anfechtung jedes beliebigen auf Geldleistung gerichteten Verwaltungsakts ein, sondern nur soweit sich ein Rechtsbehelf gegen einen Steuerbescheid, eine Steueranmeldung oder einen die Festsetzung einer Steuervergütung aufhebenden oder ändernden Verwaltungsakt richtet (§ 237 Abs. 1 Satz 1 AO).

 

Tz. 5

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Darüber hinaus ist durch § 237 Abs. 1 Satz 2 AO klargestellt, dass die Verzinsung auch dann erfolgt, wenn nach Anfechtung eines Grundlagenbescheides die Vollziehung eines Folgebescheides ausgesetzt wird; denn die Aussetzung der Vollziehung eines angefochtenen Grundlagenbescheids zieht Aussetzung der Vollziehung der darauf beruhenden Folgebescheide nach sich (§ 361 Abs. 3 Satz 1 AO, § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO). Für den Begriff des Grundlagenbescheids ist die Definition in § 171 Abs. 10 AO maßgeblich. Danach sind Grundlagenbescheide nicht nur die gesonderten Feststellungen nach §§ 179ff. AO, sondern auch Verwaltungsakte anderer Behörden, soweit sie für die Besteuerung maßgebend sind, wie z. B. Bescheide des Versorgungsamtes über den Grad der Behinderung.

 

Tz. 6

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Schließlich behandelt § 237 Abs. 3 AO den Gewerbesteuermessbescheid und den Gewerbesteuerbescheid als Folgebescheide des ESt-, KSt- oder eines Feststellungsbescheids, obwohl im Verhältnis dieser Bescheide eine echte rechtliche Verknüpfung, die sonst zwischen Grundlagen und Folgebescheiden besteht, fehlt. Damit wird zu Recht dem Umstand Rechnung getragen, dass die ertragsteuerlichen Besteuerungsgrundlagen unmittelbar Einfluss auf die Gewerbesteuer haben.

 

Tz. 7

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Ohne Belang ist, ob der Rechtsbehelf, der zur Aussetzung der Vollziehung geführt hat, im außergerichtlichen Vorverfahren oder im Gerichtsverfahren eingelegt wurde. Insoweit unterscheidet sich die Vorschrift von § 236 AO zum Nachteil des Pflichtigen. Ist ausnahmsweise allein eine Einspruchsentscheidung Gegenstand einer Anfechtungsklage und wi...

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