A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift regelt die Drittwirkung einer unanfechtbaren Steuerfestsetzung und ihre Folgen auf die Zulässigkeit von Einwendungen durch Dritte. Nach § 166 AO müssen die dort genannten Dritten die Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung gegen sich gelten lassen, wenn sie – mit Ausnahme des Gesamtrechtsnachfolgers – in der Lage gewesen wären, den Bescheid anzufechten. Besondere Bedeutung hat die Vorschrift für den Haftenden, der gegen den Haftungsbescheid nicht einwenden kann, die Hauptschuld sei unzutreffend, wenn er in der Lage gewesen war, den Steuerbescheid über die Festsetzung der Hauptschuld anzufechten.Die Regelung hat Präklusionswirkung und will verhindern, dass das gegen den Stpfl. durchgeführte Verfahren nochmals aufgerollt und dadurch das Haftungsverfahren unnötig verzögert wird; der Gesetzgeber mutet dem Anfechtungsberechtigten zu, selbst dafür Sorge zu tragen, wie er die ihm eingeräumte uneingeschränkte Rechtsmittelbefugnis sicherstellen will (BFH v. 16.05.2017, VII R 25/16, BStBl II 2017, 934 m. w. N.).

B. Anwendungsbereich

 

Tz. 2

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Die Vorschrift betrifft Steuerbescheide und ihnen gleichgestellte Bescheide (s. § 164 AO Rz. 2), nicht dagegen Haftungs- und Duldungsbescheide (h. M.; BFH v. 16.11.1995, VI R 82/95, BFH/NV 1996, 285; Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 11; Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 166 AO Rz. 2). Sie ist auch im Erhebungsverfahren z. B. bei einem Abrechnungsbescheid nach § 218 AO nicht anwendbar; § 166 AO gilt auch für Steueranmeldungen (BFH v. 25.07.2003, VII B 240/02, BFH/NV 2003, 1540).

C. Tatbestand

I. Unanfechtbare Steuerfestsetzung

 

Tz. 3

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Drittwirkung üben nur unanfechtbare Steuerbescheide usw. aus. Ein Bescheid ist unanfechtbar, wenn die Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist abgelaufen ist oder wenn über einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel unanfechtbar entschieden worden ist. Der Drittwirkung steht nicht entgegen, dass der Steuerbescheid änderbar ist (§§ 164, 165 AO, §§ 172ff. AO; Heuermann in HHSp, § 166 AO Rz. 6)). Die Regelung wirkt sich vor allem bei Haftenden aus: stehen dem Haftungsschuldner grundsätzlich sämtliche Einwendungen des Steuerschuldners gegen den Anspruch zu, sind ihm diese jedoch nach § 166 AO abgeschnitten, wenn er den Steuerbescheid als Vertreter oder Bevollmächtigter des "Erstschuldners" oder kraft eigenen Rechts hätte anfechten können (BVerfG v. 29.11.1996, 2 BvR 1157/93, BStBl II 1997, 415; Loose in Tipke/Kruse, § 191 AO Rz. 133).

II. Gesamtrechtsnachfolge

 

Tz. 4

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Der Gesamtrechtsnachfolger muss die Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung gegenüber dem Stpfl. gegen sich gelten lassen. Dies folgt daraus, dass mit dem Eintritt der Gesamtrechtsnachfolge der Rechtsnachfolger in vollem Umfang in die Stellung des Vorgängers hineinwächst. Gesamtrechtsnachfolge liegt vor bei Erbfall, Verschmelzung und Umwandlung, Eintritt in eine Gütergemeinschaft, Anwachsung, Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Körperschaften (s. Ausführungen zu § 45 AO). Die Drittwirkung gegenüber dem Gesamtrechtsnachfolger setzt nicht voraus, dass dieser in der Lage gewesen wäre, den Steuerbescheid gegen seinen Rechtsvorgänger anzufechten.

 

Tz. 5

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Nicht unter den Begriff der Gesamtrechtsnachfolge fallen Geschäftsübernehmer nach § 25 HGB bzw. nach § 75 AO sowie Einzelrechtsnachfolger. Diese Personen müssen – als Haftende – die Unanfechtbarkeit der Festsetzung der Hauptschuld nicht gegen gelten lassen (Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 6). Eine Drittwirkung in Fällen von Einzelrechtsnachfolge ist jedoch geregelt für Einheitswertbescheide (§ 182 Abs. 2 AO), Grundsteuermessbescheide (nicht für Gewerbesteuermessbescheide, § 184 Abs. 1 Satz 4 AO) und für Zerlegungs- und Zuteilungsbescheide (§§ 185, 190 Satz 2 AO). Für die auf diesen Grundlagenbescheiden beruhenden Steuerbescheide (VSt-, GrSt-, GewSt-Bescheide) gilt die Drittwirkung nicht (Krumm in Tipke/Kruse, § 166 AO Rz. 7 m. w. N.).

III. Eigene Rechtsbehelfsbefugnis

 

Tz. 6

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Die gegenüber dem Stpfl. eingetretene Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung muss ferner gegen sich gelten lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Stpfl. erlassenen Bescheid als dessen Vertreter oder Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Die Aufzählung ist abschließend. Ausschlaggebend ist allein die während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist bestehende rechtliche, nicht die tatsächliche Möglichkeit, einen Rechtsbehelf einzulegen (BFH v. 16.12.1997, VII R 30/97, BStBl II 1998, 319). Die Drittwirkung der unanfechtbaren Steuerfestsetzung tritt daher nicht ein, wenn der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH nicht während der gesamten Dauer der Rechtsbehelfsfrist berechtigt gewesen ist, als Vertreter der GmbH zu handeln, oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er noch vor Ablauf der Festsetzungsfrist und dem damit verbundenen Wegfall des Vorbehalts (§ 164 Abs. 4 Satz 1 AO) nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen A...

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