A. Allgemeines

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Verpflichtung zur Amtshilfe ist den Behörden des Bundes und der Länder allgemein in Art. 35 GG auferlegt. Die AO übernimmt weitgehend die Vorschriften des VwVfG. Inhaltlich konkretisieren die Vorschriften die nach Art. 35 GG zu leistende Amtshilfe. Die Vorschriften der AO regeln nur die Amtshilfe, die zugunsten der Finanzbehörden zu leisten ist. Zur Vollstreckungshilfe s. § 250 AO; zur Rechts- und Amtshilfe im finanzgerichtlichen Verfahren s. § 13 FGO.

B. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Begriff der Amtshilfe

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unter Amtshilfe i. S. von § 111 Abs. 1 AO versteht man die Hilfeleistung in der Weise, dass die ersuchende Behörde Herrin des Verfahrens bleibt, die ersuchte Behörde ihr aber bei der Erfüllung derjenigen Aufgaben, zu der nach den Bestimmungen über die sachliche und örtliche Zuständigkeit allein die ersuchende Behörde berufen ist, Beistand leistet. Die Tätigkeit der ersuchten Behörde wird dem Grunde, der Art und dem Umfange nach ausschließlich durch das Ersuchen der Finanzbehörde bestimmt.

Hiernach beinhaltet die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe nicht die Übernahme eines Verfahrens im Ganzen; es handelt sich ausschließlich um ergänzende Hilfe (auch BFH v. 25.01.1988, VII B 85/87, BStBl II 1988, 566). Zum Begriff der Rechts- und Amtshilfe s. § 117 AO Rz. 2.

Von der bloßen Auskunfts- und Vorlagepflicht der Behörden unterscheidet sich die Amtshilfepflicht durch ihren Umfang. Die Amtshilfepflicht schließt die Auskunfts- und Vorlagepflicht mit ein, umfasst aber darüber hinaus auch die Verpflichtung zu Amtshandlungen jeder Art, die zu den Befugnissen der ersuchten Behörde gehören, ohne notwendige subjektive Beschränkung auf einen konkreten Steuerfall.

Während die Zulässigkeit eines Amtshilfeersuchens voraussetzt, dass die ersuchende Behörde für das Verfahren, in dem Hilfe geleistet werden soll, sachlich und örtlich zuständig ist, muss die Amtshandlung, die als Hilfeleistung erbeten wird, nicht auch in den Zuständigkeitsbereich der ersuchenden Behörde fallen. Das Amtshilfeersuchen kann gerade durch das rechtliche oder tatsächliche Unvermögen der ersuchenden Behörde begründet sein (s. § 112 Abs. 1 AO).

 

Tz. 3

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§ 111 Abs. 2 AO grenzt den Begriff der Amtshilfe negativ ab, ohne insoweit als abschließend angesehen werden zu können. Da Amtshilfe voraussetzt, dass gleich- oder nebengeordnete Behörden einander Hilfe leisten, scheiden Beistandshandlungen innerhalb eines einheitlichen Instanzenzuges aus (§ 111 Abs. 2 Nr. 1 AO). Das gilt sowohl für Tätigkeiten, die eine weisungsgebundene Behörde für die weisungsberechtigte durchführt, als auch für den umgekehrten Fall. Nicht als Amtshilfe anzusehen sind auch solche Hilfeleistungen, die zwar zugunsten der Finanzbehörde vorgenommen werden, der die Hilfe leistenden Behörde jedoch als eigene Aufgabe obliegen (§ 111 Abs. 2 Nr. 2 AO). Häufig wird sich die Zuweisung dieser Aufgabe aus einer gesetzlichen Bestimmung ergeben (s. §§ 94, 116 AO; auch § 18 GrEStG, § 34 ErbStG), begriffsnotwendig ist dies jedoch nicht. Maßgebend ist, dass die Tätigkeit, die der Finanzbehörde zugutekommt, zum spezifischen Aufgabenbereich der anderen Behörde gehört. Als Beispiele seien aufgezählt: Anzeigepflichten der Behörden, Gerichte und Notare.

II. Zur Amtshilfe Verpflichtete

 

Tz. 4

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Zur Amtshilfe verpflichtet sind alle Gerichte und Behörden (§ 111 Abs. 1 Satz 1 AO). Was unter Behörden in diesem Sinne zu verstehen ist, ist nicht definiert. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift ist der Begriff nicht eng auszulegen; er umfasst alle öffentlichen Stellen, soweit sie in § 111 Abs. 3 AO nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Der Gesetzgeber wollte öffentliche Einrichtungen, die in Konkurrenz zu entsprechenden privaten Unternehmen stehen, nicht schlechter stellen als diese. Insoweit ist die Finanzbehörde auf die allgemeinen Auskunfts- und Vorlagepflichten nach §§ 93, 97 AO beschränkt. Der Behördenbegriff umfasst weiterhin solche natürlichen Personen, die öffentliche Funktionen als Organe der Staatsgewalt ausüben und insoweit berufen sind, unter öffentlicher Autorität nach eigenem Ermessen für staatliche oder staatlich geförderte Zwecke tätig zu sein, z. B. für die Notare § 1 BNotO; denen aber weiterhin das Auskunftsverweigerungsrecht des § 102 AO zusteht. Denn § 111 Abs. 1 Satz 2 AO stellt klar, dass berufsbedingte Auskunfts- und Vorlageverweigerungsrechte nicht über den Weg der Amtshilfe unterlaufen werden dürfen.

 

Tz. 5

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§ 111 Abs. 4 AO dehnt die Amtshilfepflicht auch auf die Zollhilfsorgane, die vom BMF bestellt worden sind (§ 19 ZollVG), und deren Bedienstete aus. Wegen der erweiterten Beistandspflicht der Ortsbehörden zugunsten der Hauptzollämter vgl. auch § 13 FVG.

III. Entsprechende Anwendung der §§ 105 und 106 AO

 

Tz. 6

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Gemäß § 111 Abs. 5 AO sind die § 105 AO und § 106 AO entsprechend anzuwenden. Dies bedeutet, dass die gesetzlich verankerte Schweigepflicht von Behörden usw. die Verpflichtung zur Leistung von Amtshilfe grundsätzlich nicht bes...

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