Tz. 91

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 171 Abs. 9 AO verschafft der Finanzbehörde eine Mindestfrist von einem Jahr für die Verwertung von Nacherklärungen bzw. sonstigen in § 153 AO geregelten Anzeigen sowie von sog. Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehung bzw. leichtfertiger Steuerverkürzung (§§ 371, 378 Abs. 3 AO). Die Aufzählung der Anzeigen ist abschließend. Die Jahresfrist beginnt mit dem Ablauf des Tages, an dem die Anzeige bei der zuständigen Finanzbehörde eingeht (BFH v. 17.11.2015, VIII R 67/13, BStBl II 2016, 569; vgl. zu Anzeigen nach § 153 AO beim unzuständigen FA BFH v. 28.02.2008, VI R 62/06, BStBl II 2008, 595). In ihr muss die angezeigte Steuerverkürzung dem Grunde nach individualisiert werden können, der Stpfl. also Steuerart und Veranlagungszeitraum benennen und den Sachverhalt so schildern, dass der Gegenstand der Selbstanzeige erkennbar wird; sie muss daher nicht den Anforderungen des § 371 AO zur Erlangung der Straffreiheit genügen (BFH v. 21.04.2010, X R 1/08, BStBl II 2010, 771). Daher schließt eine Hemmung nach § 171 Abs. 9 AO eine weitere Hemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht aus, sofern deren Voraussetzungen vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist verwirklicht wurden (BFH v. 17.11.2015, VIII R 68/13, BStBl II 2016, 571). Die Ablaufhemmung umfasst nur die Steueransprüche, die aufgrund der Anzeige festzusetzen sind. Der Fristablauf nach § 171 Abs. 9 AO schließt daher auch die Hemmung aus anderen Gründen nicht aus. Der Finanzbehörde ist es indessen nicht möglich, zwar innerhalb der Jahresfrist des § 171 Abs. 9 AO, aber nach Ablauf der regulären Festsetzungsfrist durch Ermittlung weiterer Sachverhalte oder Beginn einer Außenprüfung eine weitere Ablaufhemmung über § 171 Abs. 9 AO hinaus zu erreichen (BFH v. 08.07.2009, VIII R 5/07, BStBl II 2010, 583 m. w. N.; Kruse in Tipke/Kruse, § 171 AO Rz. 84). Nach seinem Wortlaut gilt § 171 Abs. 9 AO nicht für die Strafbefreiungserklärung nach dem StraBEG und für die Erstattung anderer gesetzlich vorgeschriebener Anzeigen wie z. B. nach den §§ 30, 33, 34 ErbStG, §§ 18, 19 GrEStG, §§ 137ff. AO (Banniza in HHSp, § 171 AO Rz. 185 m. w. N.).

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