Tz. 37

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO kann ein Steuerbescheid aufgehoben oder geändert werden, soweit er durch unlautere Mittel, wie arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt worden ist. Die Vorschrift übernimmt die in § 130 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO für den dortigen Anwendungsbereich getroffene Regelung für die unter § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fallenden Bescheide. Hinsichtlich solcher Bescheide, die durch arglistige Täuschung erwirkt worden sind, wird die Änderung meist daneben auf § 173 AO gestützt werden können, weil die Aufdeckung des wahren Sachverhalts als neue Tatsache i. S. dieser Vorschrift zu werten sein wird. Die Änderungssperre des § 173 Abs. 2 Satz 1 AO gilt für § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO nicht (BFH v. 02.12.2013, III B 71/13, BFH/NV 2014, 570; vgl. auch von Wedelstädt in Gosch, § 173 AO Rz. 19).

 

Tz. 38

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Anwendung des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c AO ist Voraussetzung, dass die unlauteren Mittel für die im zu ändernden oder aufzuhebenden Bescheid getroffene Regelung ursächlich gewesen sind. Nur soweit die Entscheidung der Finanzbehörde auf das unlautere Verhalten zurückzuführen ist, ist die Änderung bzw. Aufhebung gerechtfertigt. Die unlauteren Mittel müssen vorsätzlich eingesetzt worden sein; bedingter Vorsatz genügt. Ein Bescheid ist auch dann durch unlautere Mittel erwirkt, wenn der Stpfl. Angaben macht, deren Unrichtigkeit ihm bekannt ist (BFH v. 14.12.1994, XI R 80/92, BStBl II 1995, 293; BFH v. 28.09.2000, III B 108/97, BFH/NV 2001, 418 m. w. N.; Loose in Tipke/Kruse, § 172 AO Rz. 44). Es braucht ihm nicht bewusst zu sein, dass die Finanzbehörde gerade diesen Angaben besondere Bedeutung beimessen würde. Ob der unlauter Handelnde derjenige ist, an den sich der Bescheid richtet bzw. der von ihm betroffen ist, oder ob ein Vertreter sich einschlägig verhalten hat, macht keinen Unterschied (BFH v. 28.04.1998, IX R 49/96, BStBl II 1998, 458). Handeln Vertreter oder Bevollmächtigte (§§ 34, 35 AO) mit unlauteren Mitteln, ist dies dem Stpfl. zuzurechnen (von Wedelstädt in Bartone/von Wedelstädt, Rz. 793). Denkbar ist auch die Erwirkung durch einen sonstigen Dritten (BFH v. 28.04.1998, IX R 49/96, BStBl II 1998, 458 m. w. N.). Dritter ist auch der Beamte, der den Bescheid erlassen hat (BFH v. 09.10.1992, VI S 15/92, BFH/NV 1993, 78; von Wedelstädt in Gosch, § 172 AO Rz. 197; a. A. Loose in Tipke/Kruse, § 130 AO Rz. 26). Hauptanwendungsfälle der Vorschrift sind Änderungen von Steuerbescheiden bei Steuerhinterziehung infolge unrichtiger Angaben (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO).

 

Tz. 39

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unter einer arglistigen Täuschung ist eine bewusste und vorsätzliche Irreführung zu verstehen, durch die die Willensbildung der Behörde unzulässig beeinflusst wird. Es genügt bereits das Bewusstsein des Stpfl., wahrheitswidrige Angaben zu machen. Ob das FA die Unrichtigkeit hätte erkennen können, ist unbeachtlich (BFH v. 08.07.2015, VI R 51/14, BStBl II 2017, 13, BFH v. 03.08.2016, X R 21/15, BFH/NV 2017, 457). Drohung ist Einwirkung auf die Willensbildung durch Erzeugung von Angst vor den angedrohten Übeln. Bestechen ist das Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines Vorteils als Gegenleistung (§§ 331ff. StGB).

 

Tz. 40

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Aufhebung oder Änderung steht im pflichtgemäßen Ermessen (§ 5 AO) der Finanzbehörde (s. § 5 AO Rz. 3 ff.). Aber auch hier ist das Ermessen auf Null reduziert (s. Rz. 19) und führt im Übrigen nicht zur Wiederaufrollung des ganzen Falles. Wegen der Möglichkeit der Saldierung mit Rechtsfehlern s. § 177 AO.

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