Müller, Die straflose Nachtat bei der Steuerhinterziehung, AO-StB 2012, 87

 

Tz. 97

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine Tatmehrheit im strafrechtlichen Sinne (s. Rz. 93 ff.) ist auch dann nicht gegeben, wenn zwei Handlungen zueinander in einer solchen Beziehung stehen, kraft deren der Unrechtsgehalt der einen in demjenigen der anderen aufgeht, sodass die Erstere in der Letzteren ihren eigentlichen und nicht mehr veränderbaren Gehalt findet und mit dieser Maßgabe von ihr konsumiert wird. Man spricht hier von strafloser Vor- bzw. Nachtat im Sinne eines besonderen Strafausschließungsgrundes. So ist z. B. die in einer Schenkungsteuererklärung enthaltene unzutreffende Angabe, vom Schenker keine Vorschenkung erhalten zu haben, sowohl für die Besteuerung der Schenkung, auf die sich die Tat bezieht, als auch für diejenige der Vorschenkung eine unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen. Eine hierdurch im Hinblick auf die Vorschenkung begangene Steuerhinterziehung ist gegenüber einer zuvor durch Unterlassen für diese Schenkung begangene Hinterziehung mitbestrafte Nachtat (BGH v. 10.02.2015, 1 StR 405/14, BFH/NV 2015, 1231). In einem solchen Verhältnis steht nicht die Abgabe unrichtiger Voranmeldungen zur Umsatzsteuer (s. § 18 Abs. 1 UStG) zu der ihr nachfolgenden ebenfalls unrichtigen Jahreserklärung (s. § 18 Abs. 3 UStG). Den Voranmeldungen kommt im Verhältnis zur Jahresanmeldung ein eigenständiger Unrechtsgehalt zu (BGH v. 01.11.1995, 5 StR 535/95, BStBl II 1996, 33). Diese Rechtsprechung entwickelt der BGH dahingehend weiter, dass das Verhältnis zwischen Umsatzsteuervoranmeldung und Umsatzsteuerjahreserklärung eines der Gesetzeskonkurrenz in Form der mitbestraften Vortat ist (BGH v. 13.07.2017, 1 StR 536/16, wistra 2018, 43).

 

Tz. 98

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Umgekehrt gibt es Fälle strafloser Nachtat, in denen die nachfolgende Handlung keine neue Straftat begründet, sondern sich als bloße Anknüpfung an eine bereits begangene Tat darstellt, weil sie z. B. dem Ausbau oder der Sicherung der durch die Vortat erlangten Position dient (Beispiel: Verheimlichen einer unverzollten Ware, die der Täter bereits an sich gebracht hat, s. § 374 AO). Der BGH (BGH v. 23.08.1968, 5 StR 384/68, NJW 1968, 2115) will die Konsumtion durch die Haupttat nur gelten lassen, wenn für diese auf Strafe erkannt ist ("mitbestrafte Nachtat"). Die Konsumtionswirkung tritt auch nur für den an der Vortat Beteiligten ein. Hat z. B. ein Steuerberater auf die Richtigkeit falscher Angaben seines Mandanten vertraut, aber nach Beendigung der vom Mandanten begangenen Steuerhinterziehung gemeinsam mit diesem versucht, die Korrektur der Steuerfestsetzung zu verhindern, so liegt darin nur für den Steuerpflichtigen eine straflose Nachtat, nicht aber auch für den Steuerberater (BGH v. 07.07.1993, 5 StR 212/93, HFR 1994, 353).

 

Beispiel:

Hat ein Steuerberater auf die Richtigkeit falscher Angaben seines Mandanten vertraut, aber nach Beendigung der vom Mandanten begangenen Steuerhinterziehung gemeinsam mit diesem versucht, die Korrektur der Steuerfestsetzung zu verhindern, so liegt darin nur für den Steuerpflichtigen eine straflose Nachtat, nicht aber auch für den Steuerberater (BGH v. 07.07.1993, 5 StR 212/93, HFR 1994, 353).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge