Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Gericht darf das verspätet Vorgebrachte nur dann zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn die Zulassung der Erklärungen und Beweismittel nach seiner freien Überzeugung, d. h. ohne an starre Regeln gebunden zu sein, die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde. Streitig ist, ob die letztgenannte Voraussetzung aus einem Vergleich der Prozessdauer bei Zulassung und ohne Zulassung abzulesen ist (in diesem Sinn BGH v. 12.07.1979, VII ZR 284/78, BGHZ 75, 138; BGH v. 31.01.1980, VII ZR 96/79, BGHZ 76, 133) oder ob auf die vermutliche Prozessdauer bei rechtzeitigem Vorbringen als Vergleichsposten abzuheben ist. Im Lichte der Rspr. des BVerfG (BVerfG v. 05.05.1987, 1 BvR 903/85, BVerfGE 75, 302; BVerfG v. 21.02.1990, 1 BvR 1117/89, BVerfGE 81, 264) erscheint nur die letztgenannte Auffassung wirklich vertretbar, denn § 79b Abs. 3 FGO kann nicht den Zweck haben, das Verfahren schneller abschließen zu können, als es bei rechtzeitigem Vortrag der Fall gewesen wäre. Ist die Sache ohnehin (aus anderen Gründen) noch nicht entscheidungsreif, dürfte die Zulassung der Erklärungen usw. die Erledigung des Rechtsstreits kaum verzögern können. Werden die Erklärungen usw. erst in der mündlichen Verhandlung vorgebracht und müsste der Senat, weil es dem Gegner nicht zumutbar ist, sofort Stellung zu nehmen, die Sache vertagen, ist jedenfalls die Erledigung des Rechtsstreits verzögert. Im Übrigen kann nur auf die Umstände des Einzelfalles abgehoben werden. Bei der Ausübung des Ermessens nach § 79b Abs. 3 Satz 1 FGO müssen die Grundsätze rechtsstaatlicher Verfahrensgestaltung berücksichtigt werden. Die Anwendung von § 79b Abs. 1 Satz 1 FGO kommt insbes. nicht in Betracht, wenn richterliches Fehlverhalten, namentlich eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der gerichtlichen Fürsorgepflicht die Verzögerung mitverursacht hat (BVerfG v. 21.02.1990, 1 BvR 1117/89, BVerfGE 81, 264, m. w. N.).

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