Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Aufgabe der Fahndung umfasst auch die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in den in § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bezeichneten Fällen. Die Erforschung von Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten ist zwangsläufig mit steuerlichen Ermittlungen verbunden. Es ist daher sachdienlich und ein Gebot der Verfahrensökonomie, den Fahndungsstellen in den genannten Fällen auch die Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen zu übertragen, zumal der aufzudeckende Sachverhalt regelmäßig sowohl steuer- als auch steuerstrafrechtlich relevant ist. In diesen Fällen richtet sich das Verfahren nach strafrechtlichen Verfahrensregeln und ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Nur wenn die Fahndung in solchen Fällen nach außen objektiv und eindeutig erkennbar außerhalb des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens ausschließlich im Besteuerungsverfahren tätig wird, handelt es sich um eine Abgabenangelegenheit und ist der Finanzrechtsweg gegeben (BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306 m. w. N.). Dies ist insbes. relevant in den sog. Bankenfällen. Die Fahndung wird zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen außerhalb des eingeleiteten Strafverfahrens (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) oder zur Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) tätig, wenn ihre Maßnahmen Bankkunden betrifft, gegen die sich das eingeleitete steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren nicht richtet (u. a. BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306 m. w. N.). Die Einschränkungen des § 93 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 2 AO und des § 97 Abs. 2 AO gelten in diesem Verfahren nicht (§ 208 Abs. 1 Satz 3 AO; AEAO zu § 208, Nr. 4).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift ist aber auch eigenständige Regelung, wenn das strafrechtliche Verfahren nach § 153ff. StPO eingestellt worden ist oder sonstige Verfahrenshindernisse wie z. B. bei Versterben des Beschuldigten, Selbstanzeige oder Strafverfolgungsverjährung bestehen (h. M.; BFH v. 15.06.2001, VII B 11/00, BStBl II 2001, 624 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 208 AO Rz. 24 m. w. N.; Rüsken in Klein, § 208 AO Rz. 35). Auch in diesen Fällen sollen die Besteuerungsgrundlagen ermittelt und – soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist – der Besteuerung unterworfen werden können. Die Fahndung nimmt ihre Aufgabe losgelöst von der Erforschung einer Steuerstraftat, aber doch im Zusammenhang damit allein zur Ermittlung von Besteuerungsgrundlagen wahr (BFH v. 16.12.1997, VII B 45/97, BStBl II 1998, 231). Insofern ist die Ermittlung der Fahndung nicht abhängig davon, dass gleichzeitig auch ein Steuerstrafverfahren durchgeführt wird. Unerheblich ist, ob die Fahndung zunächst auf der Grundlage von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO tätig geworden und dann bei Eintritt des Strafverfolgungshindernisses nach § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO fortgesetzt hat oder ob sie bereits von Anfang ihrer Ermittlungen an auf der Grundlage von § 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO tätig geworden ist (BFH v. 15.06.2001, VII B 11/00, BStBl II 2001, 624). In diesen Fällen richten sich die Ermittlungsgrundsätze und der Rechtsschutz nach der AO, da die Behörde in solchen Fällen nach außen objektiv und eindeutig erkennbar außerhalb des eingeleiteten Steuerstrafverfahrens ausschließlich im Besteuerungsverfahren tätig wird (BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306 m. w. N.; s. Rz. 16). Die Fahndung darf nicht aus Zweckmäßigkeitsgründen zwischen den Verfahrensarten wechseln (s. auch Rz. 3).

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