Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird der geforderte Nachweis nicht erbracht, hat die Finanzbehörde die Sachen oder Rechte regelmäßig dem äußerlichen Inhaber zuzurechnen. Mit welchen Rechtsfolgen dies im Einzelfall erfolgt, hängt von der Bedeutung der Zurechnungsentscheidung im Rahmen des betroffenen materiellen Rechts ab (Seer in Tipke/Kruse, § 159 AO Rz. 11). Die Zurechnung ist nicht auf den Vermögensbereich beschränkt, sondern sie kann auch bei den Einkünften erfolgen (BFH v. 27.09.2006, IV R 245/04, BStBl II 2007, 39 m. w. N.). Über ihre weiteren steuerrechtlichen Folgen wie Steuerpflicht oder die Zuordnung zu einer Steuerart besagt die Vorschrift nichts (BFH v. 28.02.1990, I R 165/85, BFH/NV 1991, 75); diese Entscheidung hängt von der steuerlichen Beurteilung der zugerechneten Werte im Übrigen ab.

 

Tz. 8a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das aufgehobene sog. Bankgeheimnis (§ 30a AO) schloss nicht aus, dass einer Bank die von ihr vereinnahmten Erträge aus ausländischen Wertpapieren zugerechnet werden, wenn sie nicht nachweist, dass sie die Papiere lediglich treuhänderisch für ihre Kunden hält. § 30a AO steht Einzelermittlungen oder Auskunftsersuchen nicht entgegen. Auch wenn es technisch nicht möglich ist, den Nachweis ohne Nennung der Namen der Treugeber zu erbringen, ist die Bank von dieser Nachweispflicht nicht entbunden, weil sie andernfalls ohne sachlichen Grund gegenüber anderen von der Sanktion des § 159 Abs. 1 AO betroffenen Stpfl. bevorzugt würde. Der Abfluss auf Konten, die nicht solche der Bank selbst sind, muss nachvollziehbar sein. Andernfalls stände es im Belieben der Bank, sich durch die Organisation ihrer Buchführung der Nachweispflicht zu entziehen (BFH v. 27.09.2006, IV R 45/04, BStBl II 2007, 39).

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Auch bei der Zurechnungsentscheidung handelt es sich um eine – zweite – Ermessensentscheidung (BFH v. 27.09.2006, IV R 45/04, BStBl II 2007, 39 m. w. N.), wobei "regelmäßig" besagt, dass die Nichtinanspruchnahme des Stpfl. der Ausnahmefall ist (h. M., u. a. Schmieszek in Gosch, § 159 AO Rz. 16; Seer in Tipke/Kruse, § 159 AO Rz. 15). Auch hierbei sind die Folgen etwaiger Steuerausfälle zu berücksichtigen. Die zu § 160 AO entwickelten Grundsätze gelten entsprechend (BFH v. 27.09.2006, IV R 45/04, BStBl II 2007, 39 m. w. N.).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das FG kann im finanzgerichtlichen Verfahren aus eigener Befugnis keine Zurechnung vornehmen, da dies der Ermessensentscheidung der Finanzbehörde vorbehalten ist. § 159 AO ist in § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO nicht angeführt, einer wünschenswerten Einbeziehung durch sinngemäße Anwendung steht der eindeutige Gesetzeswortlaut entgegen (BFH v. 27.09.2006, IV R 45/04, BStBl II 2007, 39; umstritten, s. dazu auch von Groll, in Gräber, § 96 FGO Rz. 9; a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 159 AO Rz. 6; Schmieszek in Gosch, § 159 AO Rz. 7). Das FG hat danach lediglich die Möglichkeit, die Ermessensentscheidung im Rahmen des § 102 FGO zu überprüfen. Zwar kann die Finanzbehörde ihre Ermessenerwägungen bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz im finanzgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 102 Satz 2 FGO), eine Nachholung einer Ermessensentscheidung ist jedoch nicht zulässig (von Groll in Gräber, § 102 FGO Rz. 20).

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