Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Aufgegeben ist der Wohnsitz dann, wenn die Wohnung aufgegeben oder wenn sie durch den Betreffenden selbst oder durch Angehörige nicht nur vorübergehend nicht mehr benutzt wird. Das ist u. a. der Fall, wenn bei Mietwohnungen das Mietverhältnis gekündigt oder die eigene Wohnung oder das eigene Haus nicht nur vorübergehend vermietet wird (BFH v. 17.05.1995, I R 8/94, BStBl II 1996, 2 m. w. N.). Wird die Wohnung mit allen Einrichtungsgegenständen vorübergehend für die Dauer der Abwesenheit vermietet, wird sie dagegen nicht aufgegeben (FG SchlH v. 12.05.1981, III 388/78, EFG 82, 5). Eine Aufgabe liegt vor, wenn der Betreffende die Wohnung für nicht absehbare Zeit nicht mehr aufsucht (BFH v. 26.07.1972, I R 138/70, BStBl II 1972, 949) oder wenn eine Wohnung zur bloßen Vermögensverwaltung zurückgelassen wird (s. dazu AEAO zu § 8, Nr. 6). Die Entscheidung, ob jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird, erfordert eine Prognose, d. h. eine Schlussfolgerung aus den festgestellten Umständen auf ein zukünftiges Verhalten (BFH v. 23.11.2000, VI R 107/99, BStBl II 2001, 294).

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei einer Auslandsreise kann die Aufgabe des Wohnsitzes der Zeitpunkt der Ausreise oder, wenn sich der Stpfl. zunächst nur vorübergehend im Ausland aufgehalten hat, ein späterer Zeitpunkt sein (BFH v. 30.10.2002, VIII R 86/00, BFH/NV 2003, 464 m. w. N.). Bei einem ursprünglich vorübergehenden Auslandsaufenthalt ist entscheidend, in welchem Zeitpunkt Umstände eingetreten sind, die die Annahme rechtfertigen, dass der Stpfl. nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird (BFH v. 30.10.2002, VIII R 86/00, BFH/NV 2003, 464 m. w. N.). Ein bedingter Rückkehrwille, d. h. die Absicht, nur beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses (z. B. des günstigen Ausgangs eines Strafverfahrens) zurückzukehren, genügt im Allgemeinen nicht.

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Keine Aufgabe liegt vor, wenn jemand, der vom Inland ins Ausland versetzt ist, eine Wohnung im Inland beibehält, deren Benutzung ihm jederzeit möglich ist und die dergestalt ausgestattet ist, dass sie jederzeit als Bleibe dienen kann, es sei denn, dass trotz der Beibehaltung der Wohnung keine Absicht mehr besteht, diese ständig oder mit einer gewissen Regelmäßigkeit oder Gewohnheit zu nutzen; dies hat der Betreffende nachzuweisen (BFH v. 17.05.1995, I R 8/94, BStBl II 1996, 2 m. w. N.; AEAO zu § 8, Nr. 5). Allerdings wird bei einem auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalt ein inländischer Wohnsitz durch kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufszwecken oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, nicht beibehalten (BFH v. 17.05.2013, III B 121/12, BFH/NV 2013, 1381).

 

Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Kinder, die zu Zwecken der Schul- oder Berufsausbildung für mehrere Jahre ins Ausland gehen, geben ihren inländischen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern nicht auf, wenn sie die elterliche Wohnung in ausbildungsfreien Zeiten zumindest überwiegend zum zwischenzeitlichen Wohnen nutzen (BFH v. 23.06.2015, III R 38/14, BStBl II 2016, 102). Ein inländischer Wohnsitz eines im Ausland studierenden Kindes kann nicht allein deshalb verneint werden, weil das Kind nach Abschluss des Studiums möglicherweise eine Stelle im Ausland annimmt (BFH v. 26.06.2013, III B 5/13, BFH/NV 2013, 1386). Die Wohnverhältnisse müssen für ein längeres Wohnen des Kindes in der elterlichen Wohnung geeignet sein; kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen, reichen dazu nicht aus (BFH v. 23.11.2000, VI R 107/99, BStBl II 2001, 294; BFH v. 12.06.2017, III B 157/16, BFH/NV 2017, 1318). Eine Aufenthaltsdauer von jährlich fünf Monaten genügt, ist für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes aber nicht stets erforderlich (BFH v. 28.04.2010, III R 52/09, BStBl II 2010, 1013). Wird ein Kind gegen den Willen der sorgeberechtigten Mutter vom Vater im Ausland festgehalten, hat das Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Mutter nur dann aufgegeben, wenn die Umstände darauf schließen lassen, dass es nicht zurückkehrt (BFH v. 30.10.2002, VIII R 86/00, BFH/NV 2003, 464).

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