Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegenstand der Billigkeitsmaßnahmen i. S. des § 163 AO sind nur Steuern i. S. des § 3 Abs. 1 bis 3 AO, die nach §§ 155ff. AO durch Steuerbescheid festgesetzt werden oder für die die §§ 155ff. AO sinngemäß gelten. § 163 AO ist anwendbar auf die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gem. § 181 Abs. 1 AO, die Festsetzung von Steuermessbeträgen gem. § 184 Abs. 1 Satz 3 AO, ferner auf Zinsen gem. § 239 Abs. 1 Satz 1 AO mit Ausnahme der Stundungs- und Aussetzungszinsen, für die besondere Regeln gelten (§§ 234 Abs. 2 und 237 Abs. 4 AO; BFH v. 26.07.2006, VI B 134/05, BFH/NV 2006, 2029), Steuervergütungen gem. § 155 Abs. 4 AO (h. M., u. a. Loose in Tipke/Kruse, § 163 AO Rz. 3; Frotscher in Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rz. 197; Rüsken in Klein, § 163 AO Rz. 17; a. A. von Groll in HHSp, § 163 AO Rz. 62; aber s. Rz. 12), Erstattungsansprüche als Folge der Freistellung von der Steuer (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO), Rückforderungsansprüche, soweit § 163 AO nicht bei Rückforderungsansprüchen nach Prämien- und Zulagengesetzen ausgeschlossen ist. Obwohl es sich bei dem Kindergeld (und dem Rückforderungsanspruch zu Unrecht gezahlten Kindergeldes) zwar um einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis i. S. des § 227 AO, nicht aber um Steuern i. S. des § 163 AO handelt, hält der BFH § 163 AO für Rückforderungsansprüche von Kindergeld für anwendbar (BFH v. 22.07.1999, VI B 344/98, BFH/NV 2000, 36; v. 24.10.2000, VI B 144/99, BFH/NV 2001, 423; zum Weiterleitungseinwand gegen die Rückforderung s. BFH v. 30.04.2001, VI B 217/99, BFH/NV 2001, 1364; Schwarz, AO-StB 2003, 377, 379). Nicht anwendbar ist § 163 AO auf Einheitswerte gem. § 20 Satz 2 BewG, ferner auf andere Nebenleistungen als Zinsen und Haftungsansprüche. Da Säumniszuschläge nicht festgesetzt werden, sondern verwirken, ist § 163 AO irrelevant. Für die KiSt finden sich in den KiStG zur Anwendbarkeit der §§ 163 und 227 AO unterschiedliche Regelungen (z. B. Art. 19 KiStG Bay; § 11 KiStG He; § 8 Abs. 4 KiStG NRW).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 163 AO wird für Eingangs- und Ausfuhrabgaben (Art. 5 Nr. 20 und 21 UZK) durch Art. 116 ff. UZK verdrängt (s. § 1 Rz. 16; a. A. von Groll in HHSp, § 163 AO Rz. 34 und 60 ff. zum Anwendungsbereich des UZK; Oellerich in Gosch, § 163 AO Rz. 44 ff.). Dasselbe gilt gem. § 14 Abs. 1 EUStBV für die EUSt und kraft ausdrücklicher Verweisungen in den einzelnen Steuergesetzen für Verbrauchsteuern wegen der Einfuhr von Waren. Da die Art. 116 ff. UZK nur sachliche Billigkeitsgründe regeln, ist für Verbrauchsteuern wegen der Einfuhr von Waren in den Einzelsteuergesetzen für Billigkeitsmaßnahmen aus in der Person des Stpfl. liegenden Gründen die Anwendbarkeit des § 227 AO ausdrücklich zugelassen (§ 147 Abs. 3 Satz 2 BranntwMonG; § 18 Abs. 3 Satz 2 BierStG; §§ 19b Abs. 3 Satz 2, 35 und 41 Abs. 1 EnergieStG; § 15 Abs. 3 KaffeeStG; § 21 Abs. 3 TabStG; § 18 Abs. 3Satz 2 SchaumwZwStG). Die Verweisung erstreckt sich nicht auf § 163 AO. Dass für Verbrauchsteuern wegen der Einfuhr von Waren § 163 AO gleichwohl für Billigkeitsmaßnahmen aus persönlichen Gründen gilt, ist angesichts des eindeutigen Wortlauts in den Einzelsteuergesetzen fraglich, aber wünschenswert (Anwendung bejahend Loose in Tipke/Kruse, § 227 AO Rz. 12).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Insolvenzverfahren sind für den Verzicht auf Abgaben im außergerichtlichen Schuldenbereinigungsverfahren (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO) nach Verwaltungsansicht §§ 163 und 227 AO Rechtsgrundlage unter Einbeziehung der Zielsetzung der Insolvenzordnung (BMF v. 11.01.2002, Nr. 3, BStBl I 2002, 132) mit der Folge, dass die Voraussetzungen für eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO bzw. § 227 AO erfüllt sein müssen (Bartone, AO-StB 2005, 155). Dasselbe gilt für die Zustimmung zu einem Insolvenzplan (BMF v. 17.12.1998, IV A 4 – S 0550–28/98, Nr. 9.2, BStBl I 1998, 1500). Mit Frotscher (in Schwarz/Pahlke, § 163 AO Rz. 5) ist davon auszugehen, dass es sich insoweit um eine innerdienstliche Bindung handelt, denn die InsO geht im Schuldenbereinigungs- und im Insolvenzplanverfahren als Verfahren nach Maßgabe der InsO der AO vor (§ 251 Abs. 2 AO), sodass sich daraus eine Verpflichtung zur Zustimmung ergibt (Bartone, AO-StB 2005, 155). Zur Ermessensausübung s. Rz. 22. Der sog. Sanierungserlass (BMF v. 27.03.2003, BStBl I 2003, 240, ergänzt durch BMF v. 22.12.2009, BStBl I 2010, 18), nach dem die Erhebung der Steuer auf einen nach Ausschöpfen der ertragsteuerlichen Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibenden Sanierungsgewinn für den Stpfl. eine unbillige Härte und die entsprechende Steuer daher auf Antrag des Stpfl. nach § 163 AO abweichend festzusetzen ist, verstößt gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, weil die Verwaltung aufgrund des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht befugt war, derart abstrakte Regelungen zu treffen (BFH v. 28.11.2016, GrS 1/15, BStBl II 2017, 393; BFH v. 23.08.2017, I R 52/14, BStBl II 2018, 232; s. § 227 AO Rz. 3...

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