Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Geschützt sind die Verhältnisse eines anderen sowie fremde Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Unter Verhältnissen in diesem Sinne sind nicht nur steuerlich relevante Tatsachen usw. zu verstehen, sondern jeder irgendwie geartete Wissensstoff in Bezug auf die Person und die Lebensumstände des anderen, auch wenn sie den rein privaten Bereich betreffen. Der damit angeordnete Schutz umfasst nicht nur die dem Verpflichteten bekannt gewordenen tatsächlichen Verhältnisse, sondern auch die aus ihnen gezogenen beurteilenden Schlussfolgerungen, insbes. Wertungen jeder Art. Der Begriff der "geschützten Daten" wird nunmehr legaldefiniert.

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind in den Verhältnissen des Betriebs oder Geschäfts begründete Umstände, an deren Geheimhaltung der Betriebs- bzw. Geschäftsinhaber aus wettbewerblichen oder anderen Gründen interessiert ist (s. § 17 UWG). Im Zweifel ist dieses Interesse anzunehmen. Betroffen sind z. B. Produktionsmethoden, die innere Organisation eines Betriebes, Bezugsquellen für Waren und Produktionsmittel usw., Kundenlisten, Testprotokolle, Kalkulationsunterlagen, Investitionsplanungen, Geschäftsbeziehungen aller Art und dergleichen mehr. Nicht nur die Geheimnisse gewerblicher Betriebe sind betroffen, sondern auch die von Freiberuflern oder sonstigen Personen (z. B. Erfindern).

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Geschützt sind die Verhältnisse "eines anderen" sowie "fremde" Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse. Damit wird klargestellt, dass der Schutz des Steuergeheimnisses nicht nur zugunsten des Steuerpflichtigen (s. § 33 Abs. 1 AO) wirkt, sondern auch zugunsten jedes beliebigen Dritten besteht, sofern die ihn betreffenden Kenntnisse in dem in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO umrissenen Zusammenhang zutage getreten sind (AEAO zu § 30, Nr. 1.3). Das können sowohl Personen sein, die i. S. des § 33 Abs. 2 AO eigene Pflichten gegenüber der Finanzbehörde in einer fremden Steuersache erfüllen, als auch solche, die an den in § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO genannten Verfahren nicht beteiligt sind. Erfasst sind damit auch Anzeigeerstatter (s. Rz. 40 ff.).

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Schutz des Steuergeheimnisses hat zur Voraussetzung, dass die genannten Verhältnisse oder Geheimnisse entweder in einem Verwaltungsverfahren, Rechnungsprüfungsverfahren, gerichtlichen Verfahren in Steuersachen, Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat bzw. Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit oder aus anderem Anlass durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheides oder einer Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen bekannt geworden sind (§ 30 Abs. 2 Nr. 1a bis c AO). Die AO definiert den Begriff des Verfahrens nicht, sondern setzt ihn offenbar voraus. § 9 VwVfG führt hierzu aus: "Das Verwaltungsverfahren i. S. dieses Gesetzes ist die nach außen wirkende Tätigkeit der Behörden, die auf die Prüfung der Voraussetzungen, die Vorbereitung eines Verwaltungsakts oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gerichtet ist; es schließt den Erlass eines Verwaltungsakts oder den Abschluss des öffentlich-rechtlichen Vertrags ein."

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob der Amtsträger seine Kenntnisse in einem der genannten Verfahren erlangt hat, darf nicht in zu enger Auslegung dieses Wortlauts beurteilt werden. Es genügt, dass ein Zusammenhang mit dem amtlichen Verfahren besteht. Dies trifft auch dann zu, wenn Kenntnisse nur "bei Gelegenheit" einer Amtshandlung erlangt wurden, die Amtshandlung also lediglich die Ausgangsposition für die Kenntnisnahme lieferte. Andererseits würde es zu weit reichen, würde man jedes Geschehnis, das nur gelegentlich einer Amtshandlung zutage tritt, in den Schutzbereich des § 30 AO einbeziehen (z. B. wenn ein Vollziehungsbeamter durch Tätlichkeiten des Vollstreckungsschuldners Verletzungen erleidet). Die Grenzen des Verfahrens müssen u. E. im rechtlichen Kontext gesehen werden. Zum Verfahren gehören daher die Maßnahmen eines Amtsträgers, die geeignet sind, das Verfahren im Rahmen seiner rechtlichen Grenzen zu fördern (z. B. Wahrnehmungen im Betrieb des Stpfl. anlässlich einer Betriebsbesichtigung i. S. des § 200 Abs. 3 AO). Zum Verfahren gehören aber auch alle Handlungen des Steuerpflichtigen oder sonst Betroffenen, die geeignet sind, ein Verfahren im Rahmen seiner rechtlichen Grenzen zu fördern oder die er zur Erfüllung verfahrensrechtlich vorgesehener Pflichten oder zur Wahrung von Rechten vornimmt (z. B. Vortrag zur Sache oder Antragstellung, nicht aber Tätlichkeiten; a. A. offenbar OFD Frankfurt/M. v. 16.09.1997, DB 1997, 2514). Bei der Verletzung von strafrechtlich geschützten Individualrechtsgütern eines Amtsträgers wie auch bei Straftaten gegen Vollstreckungsorgane nimmt die Verwaltung jedenfalls ein zwingendes öffentliches Offenbarungsinteresse nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO an (AEAO zu § 30, ...

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