Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der Steuerschuld nach Grund und Höhe regeln die Einzelsteuergesetze und der Zollkodex (s. Art. 77 bis 88 UZK) in Verbindung mit den Tarifen. Sie normieren die Steuertatbestände als Gesamtheit der Merkmale, die in objektiver und subjektiver Beziehung zutreffen müssen, um die Steuerschuld entstehen zu lassen. In diesem Sinn wird die Verwirklichung eines Steuertatbestandes einschließlich der aus ihr erwachsenden Steuerschuld häufig als Steuerfall bezeichnet.

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Gestaltung der Steuertatbestände ist – je nach der Natur der einzelnen Steuer und der vom Gesetzgeber mit ihr verfolgten finanz- und wirtschaftspolitischen Zielsetzung – sehr unterschiedlich. Teils knüpft die Besteuerung an die Herrschaft über Wirtschaftsgüter (Steuern vom Vermögen) oder an bestimmte Arten von Vermögenszuwachs an (Steuern vom Einkommen und Ertrag). Bei diesen sog. Besitzsteuern werden entweder Personen nach bestimmten gegenständlichen Merkmalen unter weitgehender Berücksichtigung ihrer Leistungsfähigkeit besteuert (Personensteuern), oder das Gesetz stellt auf das Vorhandensein bestimmter Wirtschaftsgüter (Grundstücke) oder das Betreiben wirtschaftlicher Tätigkeiten (Gewerbebetriebe) ab, die sich bestimmten natürlichen oder juristischen Personen oder nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen als Steuerschuldnern zurechnen lassen (Realsteuern). Die Verkehrsteuern und Verbrauchsteuern sowie die Einfuhr- und Ausfuhrabgaben knüpfen an Vorgänge des rechtlichen, tatsächlichen oder wirtschaftlichen Verkehrs an, also an bestimmte Geschehensakte ohne Rücksicht auf ihren wirtschaftlichen Nutzeffekt oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der beteiligten Personen, bei denen der Vorgang zum Gegenstand einer Steuerpflicht gemacht wird. Soweit Rechtsgeschäfte, insbes. Verträge als Besteuerungsgrundlagen in Betracht kommen, ist entscheidend, wie sie sich nach den abgegebenen Willenserklärungen darstellen. Auf die Vorstellungen der Beteiligten über die steuerlichen Auswirkungen kommt es nicht an (BFH v. 30.08.1978, II R 28/3, BStBl II 1979, 81).

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Je nach der Vielgestaltigkeit des Steuergegenstandes formulieren die Steuergesetze regelmäßig mehrere Tatbestände, teilweise auch Ersatztatbestände zur Erfassung typischer Umgehungshandlungen. Hierin liegt eines der großen Probleme der aktuellen Steuergesetzgebung, die sich als ein Wechselspiel aus Aktion und Reaktion zwischen Gesetzgeber und Steuerpflichtigen, bisweilen auch der Gerichte darstellt. Der Gesetzgeber schafft Steuertatbestände, worauf die ihnen unterworfenen Adressaten mit Vermeidungsstrategien reagieren. Die Folge ist die fortlaufende Vermehrung von Tatbestandsmerkmalen zur Vermeidung der Vermeidung. Die weitere Folge sind Regelungskonstrukte, die für die Praxis nicht mehr taugen. Mit der Zunahme der Tatbestandsmerkmale einer Norm steigt der Aufwand exponential an. Helsper (S. 50) verdeutlicht dies am Beispiel der Entwicklung des § 152 AO. Als weiteres Problem für die Rechtsanwendung erweist sich die Technik der Verweisungen, die dazu führen kann, dass es selbst für den Fachmann kaum noch möglich ist, den Norminhalt sicher zu erfassen und zu bestimmen (Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 GG des BFH v. 06.09.2006, XI R 26/04, NJW 2006, 3808; Luttermann, FR 2007, 18).

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