Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 200 Abs. 1 AO ist lex specialis gegenüber § 90 Abs. 1 Satz 1 und § 97 AO (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455 m. w. N.). Die Mitwirkungspflichten des § 200 AO entstehen deshalb erst mit der Bekanntgabe der Prüfungsanordnung gem. § 196 AO; Letztere bildet sowohl im Hinblick auf das Prüfungssubjekt als auch den Prüfungsumfang sowie den Prüfungszeitraum den Rahmen für die dem Steuerpflichtigen nach § 200 AO auferlegten Pflichten (BFH v. 06.06.2012, I R 99/10, BStBl II 2013, 196 m. w. N.). Ihr Umfang richtet sich gem. § 90 Abs. 1 Satz 3 AO nach den Umständen des Einzelfalls und seine Bestimmung unterliegt pflichtgemäßem Ermessen der Finanzbehörde (AEAO zu § 200, Nr. 1 Satz 1). Die Mitwirkung darf nur verlangt werden, soweit sie zur Feststellung des steuererheblichen Sachverhalts notwendig, verhältnismäßig, erfüllbar und zumutbar ist (s. BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455 m. w. N.). Die Aufforderung des Stpfl. zur Vorlage von Unterlagen und vorhandenen Aufzeichnungen bedarf grundsätzlich keiner zusätzlichen Begründung hinsichtlich der steuerlichen Bedeutung (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455; AEAO zu § 200, Nr. 1 Satz 2). Über seine Rechte und Mitwirkungspflichten wird der Stpfl. durch einer der Prüfungsanordnung beigefügten Hinweis unterrichtet (§ 5 Abs. 2 Satz 2 BpO; Merkblatt s. BMF v. 24.10.2013, BStBl I 2013, 1264 f.). Für die Kosten im Zusammenhang mit den Mitwirkungspflichten können bei anschlussgeprüften Betrieben (§ 4 Abs. 2 BpO) Rückstellungen gebildet werden, soweit sie die am jeweiligen Bilanzstichtag bereits abgelaufenen Wirtschaftsjahre (Prüfungsjahre) betreffen (BFH v. 06.06.2012, I R 99/10, BStBl II 2013, 196; BMF v. 07.03.2013, BStBl I 2013, 274).

 

Tz. 2a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Mitwirkungspflichtig ist das Prüfungssubjekt, i. d. R. also der Stpfl., daneben die gesetzlichen Vertreter natürlicher oder juristischer Personen und die Geschäftsführer von nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 34 AO), ferner Verfügungsberechtigte (§ 35 AO) sowie daneben die vom Stpfl. benannten Auskunftspersonen (s. Rz. 6). Hat der Stpfl. einen Bevollmächtigten beauftragt, kann sich der Betriebsprüfer gleichwohl an den Stpfl. wenden, wenn es um das Wissen erheblicher Tatsachen geht (§ 80 Abs. 3 Satz 2 AO). Da die Außenprüfung auch bei Personen zulässig ist, die Berufsgeheimnisse wahren müssen (s. § 193 AO Rz. 7), ist auch der Berufsgeheimnisträger als Prüfungssubjekt grundsätzlich nach § 200 Abs. 1 Sätze 1 und 2 AO zur Mitwirkung bei der Ermittlung der für die Besteuerung erheblichen Sachverhalte verpflichtet (BFH v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455). Bei Erstreckung gem. § 194 Abs. 2 AO sind auch die Gesellschafter und Mitglieder mitwirkungsverpflichtet.

 

Tz. 2b

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Mitwirkungsverlangen kann formlos, d. h. schriftlich oder mündlich erfolgen. Unter den Voraussetzungen des § 119 Abs. 2 Satz 1 AO ist ein mündliches Mitwirkungsverlangen schriftlich zu bestätigen. Zur Rechtsqualität des Mitwirkungsverlangens s. Rz. 10.

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 200 AO zählt nicht alle Mitwirkungspflichten auf, sondern weist "insbesondere" auf einige hin, nämlich auf die Pflicht, Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen, ferner die zum Verständnis der Aufzeichnungen erforderlichen Erläuterungen zu geben und die Finanzbehörde bei der Ausübung der Befugnisse nach § 147 Abs. 6 AO zu unterstützen. Die Mitwirkungspflicht erstreckt sich ausschließlich auf die Feststellung solcher Sachverhalte, die für die Besteuerung erheblich sind. Sie besteht nicht darin, dass der Stpfl. Hilfsdienste wie z. B. Nachkalkulationen vornimmt oder Zusammenstellungen anfertigt (BFH v. 17.11.1981, VIII R 174/77, BStBl II 1982, 430). Was auf Anforderung Konzernunternehmen vorzulegen haben, zählt AEAO zu § 200, Nr. 1 Abs. 2 auf. Eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Stpfl. besteht bei Auslandssachverhalten, insbes. bei Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen unter Beachtung der Gewinnabgrenzungsaufzeichnungsverordnung und der Verwaltungsgrundsätze-Verfahren (AEAO zu § 200, Nr. 1 Abs. 3 Satz 3). Die der Prüfungsanordnung beizufügenden Hinweise über die Rechte und Mitwirkungspflichten des Stpfl. (s. § 196 AO Rz. 3) sollen den Stpfl. entsprechend informieren. Zur Verletzung der Mitwirkungspflichten s. Rz. 9b.

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