Tz. 49

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegen die völlige oder teilweise Ablehnung eines Billigkeitserlasses, die Rücknahme oder den Widerruf kann Einspruch erhoben werden (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO). Der Einspruch ist außerdem statthaft, wenn das FA ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist über den Erlassantrag nicht entschieden hat (sog. Untätigkeitseinspruch, § 347 Satz 2 AO).

 

Tz. 50

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gerichtlicher Rechtsschutz wird bei weiterhin abweisender Einspruchsentscheidung durch die Verpflichtungsklage gewährt (§ 40 Abs. 1 FGO). Da es sich bei der Entscheidung über einen Erlass um eine Ermessensentscheidung handelt (s. Rz. 2) können die FG die ablehnende Entscheidung nur auf Einhaltung der Ermessensgrenzen überprüfen (§ 102 FGO; BFH v. 08.10.2013, X R 3/10, BFH/NV 2014, 5; BFH v. 17.12.2013, VII R 8/12, BFH/NV 2014, 748; BFH v. 23.02.2017, III R 35/14, BFH/NV 2017, 931). Das FG darf nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens des FA setzen, also selbst eine nach seiner Auffassung fehlerfreie Ermessensentscheidung treffen. Ist das Ermessen fehlerhaft ausgeübt, ergeht regelmäßig ein sog. Bescheidungsurteil. Dies bedeutet, dass das FA verpflichtet wird, sein Ermessen unter Beachtung der Rechtsauffassung des FG erneut auszuüben (§ 101 Satz 2 FGO). Lediglich dann, wenn nach Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts wegen rechtsfehlerhafter Ermessensausübung nur noch eine einzige mit dem Gesetz in Einklang stehende Alternativentscheidung denkbar ist, ist das Gericht nicht auf die Kassation beschränkt und die Sache i. S. des § 101 FGO entscheidungsreif. Ist das Erlassbegehren begründet, spricht das Gericht in diesem Ausnahmefall die Verpflichtung der Finanzbehörde aus, den begehrten Verwaltungsakt zu erlassen (§ 101 Satz 1 FGO).

 

Tz. 51

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das FG trifft seine Entscheidung nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, in der Regel also zur Zeit des Erlasses der Einspruchsentscheidung (BFH v. 26.05.2000, V B 28/00, BFH/NV 2000, 1326; BFH v. 14.02.2011, XI B 32/10, BFH/NV 2011, 746; BFH v. 17.04.2013, X R 6/11, BFH/NV 2013, 1537). Die Nichtbeachtung von erst nach der letztinstanzlichen Verwaltungsentscheidung eingetretenen tatsächlichen Änderungen kann grundsätzlich kein Ermessensverstoß sein. In einem solchen Fall ist der Stpfl. auf einen neuen Erlassantrag zu verweisen. Entscheidet das FG allerdings erst sechs Jahre nach der Einspruchsentscheidung (überlange Verfahrensdauer), dann ist die Aufrechterhaltung des ablehnenden VA jedenfalls dann rechtswidrig, wenn der Stpfl. Anspruch auf erneute Bescheidung hat, weil sich die tatsächlichen Grundlagen für die Ermessensentscheidung in einem für die frühere Verwaltungsentscheidung maßgeblichen Punkt geändert hat (BFH v. 14.10.1993, X B 52/93, BFH/NV 1994, 562). Bei Erlassanträgen nach Entrichtung des geschuldeten Betrags (Billigkeitserstattung, § 227 2. HS AO) kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Zahlung (Einziehung) an (BFH v. 24.09.1976, I R 41/75, BStBl II 1977, 127; BFH v. 26.02.1987, IV R 98/84, BStBl II 1987, 612).

 

Tz. 52

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Korrespondierend zur Verpflichtungsklage im Hauptsacherechtsschutz ist vorläufiger Rechtsschutz durch eine einstweilige Anordnung unter den Voraussetzungen von § 114 FGO zu gewähren. Allerdings wird wegen des Verbots der Vorwegnahme der Hauptsache ein "vorläufiger" Erlass nicht in Betracht kommen, vielmehr wird das Gericht bis zur Entscheidung in der Hauptsache eine Stundung oder Vollstreckungsaufschub anordnen. Nur in dem Fall, dass das FA einen bereits gewährten Erlass zurücknimmt oder einschränkt, liegt ein vollziehbarer VA vor, der in der Hauptsache angefochten und im vorläufigen Rechtsschutz von der Vollziehung ausgesetzt werden kann (§§ 316 AO, 69 FGO).

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