Tz. 29

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die durch das StModernG mit Wirkung vom 01.01.2017 eingefügte Regelung ist wesentlicher Teil der Modernisierung des Besteuerungsverfahrens mit dem Ziel vollautomatischer, vom RMS (§ 88 Abs. 5 AO) begleiteter und unterstützter Veranlagung.

 

Tz. 30

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 155 Abs. 4 Satz 1 AO können Steuerfestsetzungen, Anrechnungen von Steuerbeträgen im Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung und Abrechnungen von Vorauszahlungen in vollem Umfang auf der Grundlage der der Finanzbehörde vorliegenden Informationen und der Angaben des Stpfl. ausschließlich automationsgestützt vorgenommen, berichtigt, zurückgenommen, widerrufen, aufgehoben oder geändert werden, sofern kein Anlass besteht, dass der Fall durch einen Amtsträger bearbeitet wird. Die Entscheidung, ob eine vollautomatische Festsetzung durchgeführt wird, steht im Ermessen des Amtsträgers, das als intendiertes Ermessen nicht zu begründen ist (Güroff in Gosch, § 155 AO Rz. 42.1). Eine personelle Überprüfung findet in diesen Fällen nicht statt, sofern für eine manuelle Prüfung i. S. des § 155 Abs. 4 Satz 1 AO kein Anlass besteht. Die Vorschrift erfasst nicht nur die erstmalige Festsetzung, sondern auch deren Korrekturen. Sie ist auf Vergütungsbescheide (§ 155 Abs. 5 AO) sowie auf die Steuerfestsetzungen gleichzusetzenden Bescheide (s. Rz. 3) sinngemäß anzuwenden. Sie gilt nicht für Steuerverwaltungsakte, auf die die Vorschriften über das Besteuerungsverfahren auch nicht entsprechend anwendbar sind wie für Haftungsbescheide, Prüfungsanordnungen, Abrechnungsbescheide, Billigkeits- und AdV-Entscheidungen (Güroff in Gosch, § 155 AO Rz. 41). Die Anführung des Widerrufs und der Rücknahme in § 155 Abs. 4 Satz 1 AO beruht darauf, dass Anrechnungsbescheide als sonstige Verwaltungsakte nach §§ 130f. AO korrigiert werden.

 

Tz. 31

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zu den der Finanzbehörde vorliegenden Informationen gehören u. a. Daten aus früheren Steuererklärungen, Daten i. S. der §§ 88a und 93c AO sowie Daten über einbehaltene Steuerabzugsbeträge und geleistete Vorauszahlungen. Angaben des Stpfl. ergeben sich vor allem aus der aktuellen Steuererklärung (Begr. BT-Drs. 18/7457, 88 f.).

 

Tz. 32

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 155 Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AO können auch der Erlass, die Berichtigung, die Rücknahme, der Widerruf, die Aufhebung und die Änderung von mit den Steuerfestsetzungen sowie Anrechnungen von Steuerabzugsbeträgen und Vorauszahlungen verbundenen Verwaltungsakten automationsgestützt erfolgen. Das betrifft z. B. die Festsetzung von Annexsteuern wie SolZ oder KiSt, von Verspätungszuschlägen in den Fällen des § 152 Absatz 2 AO, d. h. in den Fällen, in denen ohne Einräumung eines Ermessens ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden muss, und von Zinsen nach § 233a AO.

 

Tz. 33

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 155 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AO ist eine automationsunterstützte Festsetzung ferner zulässig, wenn die Festsetzung von Steuern sowie die Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen mit Nebenstimmungen (§ 120 AO) versehen oder verbunden wird, soweit diese durch ein BMF-Schreiben oder Erlasse der obersten Landesfinanzbehörden allgemein angeordnet sind (§ 155 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 AO). Das betrifft vor allem die allgemeine durch BMF-Schreiben oder gleichlautende Ländererlasse nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO angeordnete Vorläufigkeit von Steuerfestsetzungen, bei der schon in der Vergangenheit eine Ermessensbindung der Finanzbehörde bestand.

 

Tz. 34

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verwaltungsakte, deren Erlass im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzbehörde liegt, wie Auskunftsersuchen, Billigkeitsmaßnahmen wie Stundung und Erlass von Steuern, Prüfungsanordnungen oder Aussetzung der Vollziehung, können nicht ausschließlich automationsgestützt erlassen werden.

 

Tz. 35

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die ausschließlich automationsgestützte Entscheidung ist nicht zulässig, wenn ein Anlass für eine Bearbeitung des Falles durch Amtsträger besteht (§ 155 Abs. 4 Satz 1 AO). Das ist z. B. der Fall, wenn der Fall im Rahmen des Risikomanagementsystems (RMS) oder ähnlicher Prüfmechanismen oder durch eine Entscheidung des Amtsträgers zur personellen Prüfung ausgewählt wurde oder (§ 155 Abs. 4 Satz 3 AO) wenn der Stpfl. in einem sog. qualifizierten Freitextfeld nach § 150 Abs. 7 AO Angaben gemacht, indem er z. B. um eine nähere Prüfung von Sachverhalts- oder Rechtsfragen gebeten hat, oder erklärt hat, in seiner Steuererklärung von der Verwaltungsauffassung abgewichen zu sein, oder einen Antrag auf eine Ermessensentscheidung gestellt hat, die Auswirkung auf die Steuerfestsetzung hat (Begr. BT-Drs. 18/7457, 89).

 

Tz. 36

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Nach § 155 Abs. 4 Satz 4 AO gilt bei einem vollständig automationsgestützt erlassenen Verwaltungsakt die Willensbildung über seinen Erlass (Regelungswille, s. § 118 AO Rz. 8) und über seine Bekanntgabe (Bekanntgabewille, s. § 122 AO Rz. 5) im Zeitpunkt des Abschlusses der maschinellen Verarbeitung als ...

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