I. Bekanntgabeformen

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine bestimmte Form der Bekanntgabe ist allgemein nicht vorgeschrieben. Sie wird häufig mit der Form des Verwaltungsakts (§ 119 Abs. 2 AO) korrespondieren. So kommt für mündliche Verwaltungsakte nur mündliche Bekanntgabe – und allenfalls schriftliche Bestätigung (§ 119 Abs. 2 Satz 2 AO) – in Betracht. Schriftliche Bekanntgabe ist die im Besteuerungsverfahren häufigste Form der Bekanntgabe (für Steuerbescheide s. § 157 Abs. 1 AO). Schriftliche Bekanntgabe kann durch Postübermittlung (§ 122 Abs. 2 AO), gegenüber einem Anwesenden durch Aushändigung des Schriftstückes, durch Übersendung mittels Boten oder durch förmliche Zustellung (§ 122 Abs. 5 AO) erfolgen, aber auch durch Telefax bzw. elektronisch (BFH v. 08.07.1992, I R 17/96, BStBl II 1999, 48; AEAO zu § 122, Nr. 1.8). Außerdem kennt das Gesetz die öffentliche Bekanntgabe (§ 122 Abs. 3 AO), die gem. Absatz 4 die Schriftform des Verwaltungsakts voraussetzt. Ausnahmsweise kann auch in einem konkludenten Verhalten der Behörde die Bekanntgabe eines Verwaltungsakts erblickt werden (z. B. Schweigen auf einen Antrag auf stillschweigende Fristverlängerung).

II. Bekanntgabe durch Postübermittlung (§ 122 Abs. 2 AO)

 

Tz. 20

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei Übermittlung eines schriftlichen Steuerverwaltungsakts durch die Post im Geltungsbereich der AO gilt dieser mit dem dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (sog. Bekanntgabefiktion), außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der Adressat seinen Wohnsitz (Sitz) innerhalb oder außerhalb des Orts der Absendebehörde hat und ob das Schriftstück tatsächlich und nachweislich schon vor dem Ablauf des dritten Tages nach Aufgabe zur Post den Empfänger erreicht hat (BFH v. 19.11.2009, IV R 89/06, BFH/NV 2010, 818). Bei Postübermittlung eines Verwaltungsakts an einen Beteiligten außerhalb des Geltungsbereichs der AO gilt dieser einen Monat nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO). Ob der Verwaltungsakt überhaupt durch die Post an einen Beteiligten außerhalb des Geltungsbereichs der AO übermittelt werden darf, richtet sich nach den konkreten zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Mit Ausnahme der in AEAO zu § 122, Nr. 3.1.4.1 Satz 4 aufgezählten Staaten (s. Rz. 33) kann davon ausgegangen werden, dass an Empfänger einschließlich der Bevollmächtigten (BFH v. 01.02.2000, VII R 49/99, BStBl II 2000, 334) im Ausland Steuerverwaltungsakte durch einfachen Brief, durch Telefax oder – unter den Voraussetzungen des § 87a AO – durch elektronische Übermittlung bekannt gegeben werden können. Ansonsten muss nach § 123 AO, § 9 VwZG oder § 10 VwZG verfahren werden, wenn ein Verwaltungsakt an einen Empfänger im Ausland bekannt zu geben ist. Welche der bestehenden Möglichkeiten der Auslandsbekanntgabe gewählt wird, steht im Ermessen der Finanzbehörde (AEAO zu § 122, Nr. 1.8.4). Die Bekanntgabefiktion des § 122 Abs. 2 AO ist bei einer Zustellung durch Empfangsbekenntnis nicht anwendbar (BFH v. 25.03.2011, II B 141/10, BFH/NV 2011, 1006).

 

Tz. 21

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Aufgabe zur Post erfolgt durch Einlieferung bei der Postanstalt oder durch Einwerfen in einen Postbriefkasten. Klar gestellt ist in AEAO zu § 122, Nr. 1.8.2, dass sich der in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO verwendete Begriff "Post" nicht nur auf die Deutsche Post AG als Nachfolgerin der Deutschen Bundespost beschränkt, sondern dass dieser Begriff alle Unternehmen umfasst, die Postdienstleistungen erbringen (BFH v. 25.03.2015, V B 163/14, BFH/NV 2015, 948). Dies gilt auch dann, wenn der private Postdienstleister die Zustellung nicht selbst vornimmt, sondern diese der DP-AG anvertraut (BFH v. 18.04.2013, X B 47/12, BFH/NV 2013, 1218). In § 33 Abs. 1 PostG ist zudem geregelt, dass ein Lizenznehmer zur förmlichen Zustellung berechtigt und verpflichtet ist und für diese Aufgabe mit Hoheitsrechten ausgestattet ist. Die Regelung unterstellt eine Normalbeförderungsdauer von drei Tagen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) bzw. von einem Monat (§ 122 Abs. 2 Nr. 2 AO). Dabei wird der Tag der Aufgabe zur Post nicht mitgerechnet. Gemäß § 108 Abs. 3 AO endet, wenn das Ende der Dreitagesfrist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Samstag fällt, die Frist mit dem Ablauf des nachfolgenden Werktags (BFH v. 23.09.2003, IX R/98, BStBl II 2003, 898; zur Berechnung der fiktiven Dreitagesfrist s. § 108 AO). Dies gilt jedoch nicht, wenn die in § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO bestimmte Vermutung des Bekanntgabezeitpunkts (und somit die fiktive Dreitagesfrist) von vornherein nicht eingreift, weil die betreffende Postsendung erst nach Ablauf der drei Tage zugegangen ist. In diesem Fall kommt es für den Beginn der Einspruchsfrist allein auf den tatsächlichen Zugangszeitpunkt an und findet § 108 Abs. 3 AO keine Anwendung. Das gilt auch dann, wenn der Empfänger des Steuerbescheides ein Unternehmer ist, der Einwurf an einem Sonnabend erfolgt und in dem betreffenden Unternehmen sonnabends nicht gearbeitet wird (BFH v. 09.11.2005,...

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