Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verstöße gegen die Vorschriften des § 157 Abs. 1 AO haben unterschiedliche Konsequenzen.

I. Verletzung der Schriftform

 

Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird entgegen § 157 Abs. 1 Satz 1 AO die Schriftform oder elektronische Form nicht beachtet, d. h. der Steuerbescheid formlos erteilt, so stellt dies einen besonders schwerwiegenden Fehler dar, der bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO). Der Steuerbescheid ist daher nichtig (s. § 125 AO Rz. 5; h. M., u. a. BFH v. 05.05.1999, II R 44/96, BFH/NV 2000, 8; Güroff in Gosch, § 157 AO Rz. 6 m. w. N.).

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wird der Steuerbescheid zwar schriftlich oder elektronisch erlassen, lässt er aber die erlassende Finanzbehörde nicht erkennen (§ 119 Abs. 3 AO), so ist er nach § 125 Abs. 2 Nr. 1 AO nichtig.

 

Tz. 20

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Fehlt bei einem schriftlichen Steuerbescheid lediglich die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters usw., so macht dies den Steuerbescheid nicht gem. § 125 AO nichtig (h. M.; BFH v. 25.06.1992, IV R 87/90, BFH/NV 1993, 457 m. w. N.; von Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 20 m. w. N.; Seer in Tipke/Kruse, § 119 AO Rz. 21; a. A. Güroff in Gosch, § 119 AO Rz. 39). Der Formfehler berechtigt daher lediglich zur Anfechtung des Bescheids; eine Aufhebung kann jedoch gem. § 127 AO dann nicht allein wegen dieses Formfehlers beansprucht werden, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können.

II. Verletzung der Inhaltserfordernisse

 

Tz. 21

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Verstöße gegen § 157 Abs. 1 Satz 2 AO führen regelmäßig zur Nichtigkeit gem. § 125 Abs. 1 AO (s. § 125 AO Rz. 3; ausführlich v. Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 12 ff. m. w. N.). Nichtig ist ein Steuerbescheid beispielsweise, wenn sich aus ihm – auch durch Auslegung – nicht zweifelsfrei ergibt, ob er demjenigen, dem er bekannt gegeben wurde, als Steuerschuldner oder als Bekanntgabeempfänger für einen anderen Steuerschuldner bekannt gegeben werden sollte (BFH v. 05.10.1994, I R 31/93, BFH/NV 1995, 576 m. w. N.), oder wenn er entgegen § 157 Abs. 1 Satz 2 AO nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, wer als Steuerschuldner in Anspruch genommen wird, oder wenn der Steuerschuldner nicht, falsch oder so ungenau bezeichnet, dass Verwechslungen nicht ausgeschlossen sind (h. M.; BFH v. 17.11.2005, III R 8/03, BStBl II 2006, 287 m. w. N.; AEAO zu § 122, Nr. 4.1.1). Ein derartiger Mangel ist, anders als ein bloßer Mangel bei der Bekanntgabe (§ 122 Abs. 1 AO), nicht heilbar, auch nicht dadurch, dass der "Empfänger" sich als Adressat angesehen hat (BFH. v. 16.06.1999, II R 36/97, BFH/NV 2000, 170). Fehlt im Steuerbescheid die Angabe des festgesetzten Steuerbetrags, ergibt sich die Nichtigkeit aus § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO, weil der Steuerbescheid aus tatsächlichen Gründen nicht befolgt werden kann.

 

Tz. 22

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ein Steuerbescheid oder ihm gleichzustellender Bescheid ist unwirksam, wenn er sich gegen eine Person oder eine Personenvereinigung richtet, die offensichtlich nicht oder weil verstorben nicht mehr als Steuerschuldnerin in Betracht kommt (st. Rspr., u. a. BFH v. 16.12.1997, VIII R 32/90, BStBl II 1998, 480; von Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 14 m. w. N.). Kein Fall der inhaltlichen Unbestimmtheit und damit der Nichtigkeit ist es, wenn im Steuerbescheid ein Steuerschuldner eindeutig und zweifelsfrei aber zu Unrecht als solcher bezeichnet ist, weil er nicht Steuerschuldner ist; ist er als Steuerschuldner tauglich, ist der Steuerbescheid nur rechtswidrig und anfechtbar, aber nicht nichtig (BFH v. 16.12.1997, VIII R 32/90, BStBl II 1998, 480; BFH v. 16.06.1999, II R 36/97, BFH/NV 2000, 170; Seer in Tipke/Kruse, § 125 AO Rz. 16 und § 157 AO Rz. 13; von Wedelstädt in Gosch, § 125 AO Rz. 35 m. w. N.).

III. Fehlen der Begründung

 

Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Fehlt es an der nach § 121 Abs. 1 AO erforderlichen schriftlichen Begründung (s. Rz. 12), so ist der Steuerbescheid mit der Einschränkung des § 127 AO anfechtbar. Der Mangel ist aber gem. § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO durch nachträgliche Mitteilung der Begründung heilbar. Die Nachholung ist bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz eines finanzgerichtlichen Verfahrens zulässig (§ 126 Abs. 2 AO). Wird wegen des Fehlens der Begründung die Frist für die Anfechtung des Steuerbescheids versäumt, so gilt die Versäumung als nicht verschuldet (§ 126 Abs. 3 AO).

IV. Fehlen der Rechtsbehelfsbelehrung

 

Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ist dem Steuerbescheid die nach § 157 Abs. 1 Satz 3 AO erforderliche Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt, so hat dies lediglich zur Folge, dass die Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs nicht zu laufen beginnt (§ 356 Abs. 1 AO) und die Anfechtung noch binnen Jahresfrist möglich ist (§ 356 Abs. 2 AO). Das Gleiche gilt, wenn die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig ist. Hierzu im Übrigen s. § 356 AO Rz. 11 f.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge