Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Entscheidung bei erfolglosen Rügen richtet sich nach § 133a Abs. 4 FGO. Unstatthafte oder nicht form- oder fristgerecht eingelegte Rügen sind als unzulässig zu verwerfen. Zulässige, aber unbegründete, Rügen werden zurückgewiesen. Entsprechend der Rechtsnatur der Anhörungsrüge ist Gegenstand der Prüfung durch das Gericht neben der Zulässigkeit nur die Frage, ob der Anspruch des Rügeführers auf rechtliches Gehör verletzt ist; eine weitergehende Prüfung der Entscheidung durch das Gericht findet nicht statt. Allerdings muss das Gericht – soweit den Darlegungsanforderungen Genüge getan ist – von Amts wegen ermitteln, ob tatsächlich eine Gehörsverletzung vorliegt.

 

Tz. 12

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Entscheidung über die Verwerfung oder die Zurückweisung der Beschwerde ergeht durch unanfechtbaren Beschluss. Zur Entscheidung berufen ist das Gericht, das die angegriffene Entscheidung gefällt hat, also ggf. auch der Einzelrichter nach § 6 FGO oder der konsentierte Einzelrichter nach § 79a Abs. 3, Abs. 4 FGO. Der BFH entscheidet in der Besetzung von drei Richtern (§ 10 Abs. 3 FGO; BFH v. 12.04.2011, III S 49/10, BFH/NV 2011, 1177). Der Beschluss ist "kurz" zu begründen. Ausreichend ist, wenn die Ausführungen des Gerichts erkennen lassen, dass es das Vorbringen des Rügeführers zur Kenntnis genommen und geprüft hat. Entspricht der Beschluss diesen Anforderungen nicht, kann der Rügeführer fortwirkende Mängel der Gehörsverletzung (nur) noch im Wege der Verfassungsbeschwerde rügen. Eine erneute Anhörungsrüge ist ausgeschlossen.

 

Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für eine begründete Anhörungsrüge bestimmt § 133a Abs. 5 Satz 1 FGO, dass das Gericht der Rüge abhilft, indem es das Verfahren fortsetzt. Es findet aber keine vollständige Aufrollung des Falles statt, sondern – wie es im Gesetz ausdrücklich formuliert ist – nur "soweit" die Fortführung aufgrund der Rüge geboten ist (BFH v. 17.06.2005, VI S 3/05, BStBl II 2005, 614; BFH v. 30.09.2005, V S 12, 13/05, BFH/NV 2006, 198). Ergänzend hierzu bestimmt § 133a Abs. 5 Satz 2 FGO, dass das Verfahren in die Lage zurückversetzt wird, in der es sich vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung befand. Dies bedeutet, dass den Beteiligten erneut Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen gegeben wird und/oder das Gericht von sich aus Maßnahmen trifft, um die Verletzung des rechtlichen Gehörs zu heilen. In aller Regel wird es zu einer Durchführung einer neuen mündlichen Verhandlung kommen. In diesem Fall muss die Besetzung des Gerichts nicht mit derjenigen identisch sein, die die angegriffene Entscheidung getroffen hat. Die Fortsetzung des Verfahrens kommt also insoweit der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gleich. Im Einzelfall kann auch die Wiederholung einer Beweisaufnahme geboten sein, auch wenn das Verfahren formell in den Zeitpunkt vor dem Schluss der letzten mündlichen Verhandlung versetzt wird. Eine Einzelrichterübertragung wirkt ebenso fort wie das Einverständnis mit einer Entscheidung durch den konsentierten Einzelrichter, da in der Rüge nicht zugleich der Widerruf des Einverständnisses zu sehen ist. Haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet, kann das Verfahren fortgesetzt werden, indem erneut Schriftsätze ausgetauscht werden. Ein Verbrauch des Verzichts auf mündliche Verhandlung ist u. E. durch die Rüge allein nicht gegeben. Im Zweifel empfiehlt es sich jedoch, auch in diesen Fällen mündliche Verhandlung anzuberaumen, zumal das Gericht an den Verzicht nicht gebunden ist.

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In Anbetracht des grundsätzlich eingeschränkten Prüfungsrahmens ist fraglich, ob das Gericht in seiner (neuen) Entscheidung völlig frei ist. Dafür spricht einerseits der Umstand, dass das ursprüngliche Verfahren "fortgesetzt" wird. Andererseits soll nur die Gehörsrüge Gegenstand der Verfahrensfortsetzung sein ("soweit"). U. E. lässt sich dieser Widerspruch dadurch auflösen, dass kein Vorbringen mehr zu berücksichtigen ist, das nicht im Zusammenhang mit der Gehörsverletzung steht. Außerdem ist – soweit man die Anhörungsrüge als außerordentlichen Rechtsbehelf auffasst, der ausschließlich die Rechte des Rügeführers sichern soll – u. E. eine reformatio in peius ausgeschlossen (a. A. Seer in Tipke/Kruse, § 133a AO Rz. 14 unter Hinweis auf § 321a ZPO). Auf der anderen Seite kann aber der von der angegriffenen Entscheidung begünstigte Beteiligte im fortgesetzten Verfahren alle Einwendungen geltend machen, die zur Aufrechterhaltung der bisherigen Entscheidung beitragen können. Dazu kann auch neues Vorbringen gehören, sofern es erst durch die Gewährung des rechtlichen Gehörs für die Gegenseite relevant wird.

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gelangt das Gericht bei der Fortführung des Verfahrens zu der Überzeugung, dass die bisherige Entscheidung auch nach Nachholung des rechtlichen Gehörs Bestand hat, ist dies im Tenor des Urteils oder des Beschlusses auszusprechen (§ 133a Abs. 5 Satz 4 FGO i. V. mit § 3...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge