Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Regelung in § 133a FGO regelt den Anwendungsbereich der Anhörungsrüge abschließend. Sie ist damit auf die im Gesetz ausschließlich genannte Verletzung rechtlichen Gehörs beschränkt. Eine Gegenvorstellung ist daher nur noch gegen abänderbare Entscheidungen des Gerichts möglich, nicht jedoch gegen Entscheidungen, die der Rechtskraft fähig sind, z. B. bei Entscheidungen über die Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe (BFH v. 14.10.2010, X S 19/10, BFH/NV 2011, 62 unter Hinweis auf BVerfG v. 25.11.2008, 1 BvR 848/07, BVerfGE 122, 190; BFH v. 24.08.2011, V S 16/11, BFH/NV 2011, 2087 m. w. N.; BFH v. 11.09.2013, I S 14, 15/13, BFH/NV 2014, 50).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Hinblick auf den gesetzlich beschränkten Anwendungsbereich der Anhörungsrüge stellt sich die Frage, ob andere Verstöße als der Mangel des rechtlichen Gehörs gegen die Grundordnung des Verfahrens außerhalb des Rechtsmittelzuges zur Überprüfung gestellt werden können. Der BFH sieht eine solche Möglichkeit mit Ausnahme der nur begrenzt möglichen Gegenvorstellung nicht mehr. Er geht davon aus, dass die Möglichkeit einer sog. außerordentlichen Beschwerde grundsätzlich nicht mehr besteht (u. a. BFH v. 02.10.2012, I S 12/12, BFH/NV 2013, 733; BFH v. 17.07.2013, V B 128/12, BFH/NV 2013, 1611).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Anwendungsbereich der Anhörungsrüge ist schließlich durch ihre Subsidiarität gegenüber den ordentlichen Rechtsbehelfen eingeschränkt. Dies ist im Hinblick auf den abschließenden Charakter der Rechtsbehelfe/-mittel in der FGO zwar an sich offenkundig, jedoch ausdrücklich in § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO geregelt. Danach kommt eine Fortführung des Verfahrens aufgrund einer Rüge nur in Betracht, wenn ein Rechtsmittel oder Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist. Der Beteiligte hat kein Wahlrecht. Es kommt nicht darauf an, ob der Beteiligte ein Rechtsmittel eingelegt hat, sondern allein darauf, ob ihm die abstrakte Möglichkeit zustand, ein Rechtsmittel einzulegen. Eine Anhörungsrüge ist also unzulässig, wenn der Beteiligte Revision, NZB oder Beschwerde hätte einlegen können. Gleiches gilt, wenn er nach einem Gerichtsbescheid einen Antrag auf mündliche Verhandlung hätte stellen können (§ 90a Abs. 2 FGO). Warum der Beteiligte nicht von einem Rechtsbehelf/-mittel Gebrauch gemacht hat, ist unerheblich. Deshalb kann z. B. bei Fristversäumnis auf diesem Wege keine erneute Befassung des Gerichts mit der Sache erreicht werden. Weiter eingeschränkt ist der Anwendungsbereich durch § 133a Abs. 1 Satz 2 FGO, wonach eine Rüge gegen eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung nicht stattfindet. Deshalb ist auch für eine Richterablehnung im Rahmen einer Anhörungsrüge kein Raum (offengelassen vom BFH v. 17.03.2010, X S 25/09, BFH/NV 2010, 1293; BFH v. 24.08.2011, V S 16/11, BFH/NV 2011, 2087 m. w. N.). Dabei dürfte es sich vor allem um verfahrensleitende Verfügungen handeln, auch wenn sie in Beschlussform ergehen. Folglich dürfte die Anhörungsrüge vor allem gegen erstinstanzliche unanfechtbare Entscheidungen praktisch werden, also in Entscheidungen über die Bewilligung von PKH (BFH v. 27.06.2013, X B 82/13, BFH/NV 2013, 1598), in Kostensachen sowie in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Soweit in Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung ein erneuter Antrag zulässig ist, weil sich z. B. die Sachlage geändert hat (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO, s. § 69 FGO), schließt dieser die Anhörungsrüge nicht aus, da Letztere sich gegen die Entscheidung richtet, der der ursprüngliche Sachverhalt zugrunde lag. Insoweit kann die Fortführung des ursprünglichen Verfahrens zumindest im Kosteninteresse liegen.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Anhörungsrüge kann auch gegen Entscheidungen des BFH erhoben werden. In Betracht kommt dabei vor allem die Rüge gegen einen eine NZB zurückweisenden Beschluss. Allerdings können damit nur diejenigen Verstöße gegen das Recht auf Gehör gerügt werden, die durch den BFH im Verfahren über die Nichtzulassung der Beschwerde begangen worden sein sollen. Andere Einwendungen gegen die Richtigkeit der BFH-Entscheidung können nicht im Rahmen der Anhörungsrüge gehört und berücksichtigt werden (BFH v. 27.10.2017, IX S 21/17, n. v.; BFH v. 04.12.2013, IX S 22/13, BFH/NV 2014, 377; BFH v. 01.09.2016, V S 24/16, BFH/NV 2017, 49 bezgl. Nichtvorlage zum EuGH). Ein Nachschieben von Nichtzulassungsgründen ist ebenso wenig möglich wie die Rüge einer vermeintlichen Gehörsverletzung durch das FG, diese ist im NZB-Verfahren geltend zu machen (Subsidiarität der Gehörsrüge; BFH v. 25.02.2016, VII S 26/15, BFH/NV 2016, 775; BFH v. 14.10.2015, I S 10/15, BFH/NV 2016, 570).

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