I. Das Rechtsmittelverfahren der RAO 1919/1931

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Rechtsmittelverfahren der RAO vom 13.12.1919, auch i. d. F. v. 22.05.1931, war dreifach gegliedert. Gegen Steuerbescheide und diesen gleichstehende Bescheide in Besitz- und Verkehrsteuersachen fand das Berufungsverfahren statt; dieses führte vom Einspruch an das FA über die Berufung an das FG als Tatsacheninstanz zur Rechtsbeschwerde an den RFH als Rechtsinstanz. Im Bereiche der Zölle und Verbrauchsteuern galt das Anfechtungsverfahren, in dem über die Anfechtung das Landesfinanzamt – der Vorläufer der OFD – entschied und nur eine einzige Gerichtsinstanz, nämlich die Rechtsbeschwerde zum RFH, eröffnet war, die sich auf die Nachprüfung auf Rechtsfehler und wesentliche Verfahrensmängel beschränkte. Gegen sonstige Verfügungen der Finanzverwaltungsbehörden war die Beschwerde zur nächsthöheren Behörde eröffnet. Mit Ausnahme von Zwangsmittelsachen, in denen die Rechtsbeschwerde zum RFH stattfand, entschied die Beschwerdebehörde endgültig.

 

Tz. 2

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Das Anfechtungsverfahren, dessen Schwerpunkt in einer Überprüfung der angefochtenen Bescheide durch das Landesfinanzamt lag, und das mit der Rechtsbeschwerde zum RFH nur eine einzige Gerichtsinstanz vorsah, war durch Art. 4 des Erlasses des "Führers und Reichskanzlers" zur Vereinfachung der Verwaltung vom 28.08.1939 (RGBl I 1939, 1535) unmittelbar vor Kriegsausbruch als einheitliches Rechtsmittelverfahren gegen Steuerbescheide jeder Art bestimmt worden. Berücksichtigt man, dass die Rechtsbeschwerde noch durchweg von einer besonderen Zulassung durch den Oberfinanzpräsidenten abhängig gemacht wurde, so wird deutlich, dass diese Maßnahmen im Grunde auf eine Beseitigung der Finanzgerichtsbarkeit zielten. Wegen der Kette von Durchführungsverordnungen, die dem erwähnten Erlass vom 28.08.1939 im Laufe des Krieges nachfolgten und eine immer weitergehende Einengung des Rechtsschutzes zur Folge hatten, auf die Darstellung in Vorbem. A vor § 228 RAO in der zweiten bis sechsten Auflage dieses Kommentars verwiesen. Vgl. im Übrigen auch Sunder-Plassmann in HHSp, Einf. FGO Rz. 53 ff.

II. Wiederherstellung der Finanzgerichtsbarkeit nach dem Kriege

 

Tz. 3

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Die Wiederherstellung der Finanzgerichtsbarkeit nach Kriegsende wurde durch das Gesetz Nr. 36 des Alliierten Kontrollrates 10.10.1946 (ABl. 1946, 183) über die Verwaltungsgerichte eingeleitet. Art. V dieses Gesetzes hob den Erlass des "Führers und Reichskanzlers" über die Vereinfachung der Verwaltung 28.08.1939 auf, desgleichen die hierzu ergangene Zweite Verordnung v. 06.11.1939 (RGBl I 1939, 2168). Durch diese Maßnahme wurden die durch den aufgehobenen Erlass suspendierten und abgeänderten Gesetzesvorschriften, namentlich der §§ 228 Nr. 1, 229, 259 bis 286 RAO wieder in Kraft gesetzt. Des Weiteren verloren die auf den Erlass gegründeten Durchführungsvorschriften ihre Grundlage, soweit sie der Wiederherstellung einer rechtsstaatlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit entgegenstanden. Die Unterschiedlichkeiten der danach ergangenen Zonen- und Länderregelungen beruhen letzten Endes auf dem Blankettcharakter des Kontrollratsgesetzes Nr. 36.

 

Tz. 4

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Eine besondere Finanzgerichtsbarkeit ist in den westlichen Besatzungszonen unterschiedlich erst in den Jahren 1947 bis 1949 wieder eingeführt worden. In West-Berlin entschied in Steuersachen noch bis zum 31.12.1965 das Verwaltungsgericht. Die erste bundeseinheitliche Regelung nach Errichtung der Bundesrepublik Deutschland brachte das Gesetz über den BFH v. 29.06.1950 (BGBl 1950, 257). Dieser erste Schritt auf dem Wege zu einer bundeseinheitlichen Finanzgerichtsbarkeit stellte die Einheitlichkeit der höchstrichterlichen Rechtsprechung in Steuer- und Zollsachen für das Bundesgebiet und West-Berlin wieder her.

 

Tz. 5

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Der zweite Schritt war das Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit v. 22.10.1957 (BGBl I 1957, 1746; sog. VorschaltG), durch das ab 01.01.1958 das finanzgerichtliche Berufungsverfahren als einheitliches Rechtsmittelverfahren gegen Steuerbescheide und diesen gleichgestellte Bescheide bestimmt worden ist. Zugleich sicherte das Gesetz die Unabhängigkeit der FG und der Finanzrichter.

 

Tz. 6

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Die durch Art. 108 Abs. 6 GG geforderte bundeseinheitliche Regelung der Finanzgerichtsbarkeit wurde erst durch die am 01.01.1966 in Kraft getretene FGO verwirklicht, die weitgehende Parallelen zur VwGO enthält. Durch sie wurde der Finanzrechtsweg aus noch vorhandenen Bindungen an das Verwaltungsverfahren gelöst, die Finanzgerichtsbarkeit zu einem selbstständigen Gerichtszweig ausgestaltet (§ 33 FGO) und der Ausbau des rechtsstaatlichen Rechtsschutzes – insbes. gegen behördliche Untätigkeit – vollendet. Die Regelung des § 33 FGO stellt seitdem eine Sonderzuweisung i. S. von § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO dar, die den Rechtsweg zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten ausschließt (vgl. die Kommentierung zu § 33 FGO).

III. Weitere Entwicklungen

 

Tz. 7

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Aufgrund der im ers...

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