Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Eine wesentliche Ergänzung des Amtsermittlungsgrundsatzes im Besteuerungsverfahren ist die Mitwirkungspflicht der Betroffenen, die nicht berechtigt sind, der Finanzbehörde die Offenlegung der für die Besteuerung maßgeblichen Umstände zu verweigern (s. §§ 40f., §§ 90ff. und auch § 370 AO). Die Bereitschaft der Betroffenen zur Erfüllung dieser Pflichten wäre erheblich eingeschränkt, müssten sie befürchten, dass die in ihren Erklärungen enthaltenen Verhältnisse auch außerhalb des Besteuerungsverfahrens genutzt und Stellen zur Kenntnis gelangen könnten, die an der Durchführung der Besteuerung nicht beteiligt sind. So gesehen dient das Steuergeheimnis zwar dem Schutz der privaten Interessen der Beteiligten und ihrem persönlichen Geheimhaltungsbedürfnis, die Wahrung des Steuergeheimnisses ist aber auch eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Besteuerungsverfahrens. Man sollte allerdings durchaus beachten, dass das in anderen Staaten auch anders gesehen wird (Kruse, BB 1998, 2133; Alber in HHSp, § 30 AO Rz. 640 ff.).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 22 RAO versuchte die grundrechtsähnliche Bedeutung des Steuergeheimnisses durch die Formulierung: "Das Steuergeheimnis ist unverletzlich" zu dokumentieren. Die Änderung dieses Wortlauts durch den aktuellen Gesetzesbefehl, dass Amtsträger das Steuergeheimnis zu wahren haben, sollte keine Herabstufung des dem Steuergeheimnis zuzuordnenden Stellenwerts bedeuten, sondern den Widerspruch zwischen der verkündeten "Unverletzlichkeit" und den gesetzlich normierten Durchbrechungstatbeständen ausräumen (Benda, DStZ 1984, 159). Das Steuergeheimnis dient der konkreten Ausgestaltung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung, das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht folgt. Dazu hat das BVerfG (BVerfG v. 15.12.1983, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1, 46) grundlegend ausgeführt, dass eine Datenerhebung nur zu einem gesetzlich zulässigen Zweck erfolgen darf und dass die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage die Art und den Umfang der Erhebung, die Art der Verwertung sowie die Zulässigkeit der Weitergabe der Daten regeln muss. Ferner müssen verfahrensrechtliche und organisatorische Vorkehrungen zum Schutz vor Verletzungen getroffen sein (BVerfG v. 27.06.1991, 2 BvR 1493/89, BStBl II 1991, 654, 668; BVerfG v. 09.03.2004, 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56). Durch Gesetz vom 17.07.2017 (BGBl. I 2017, 2541) ist die Norm mit Wirkung vom 25.05.2018 umfassend geändert worden, vgl. BT-Drs. 18/12611, 80. Ebenfalls mit Wirkung zum 25.05.2018 ist durch das BMF der Anwendungserlass zu § 30 AO angepasst worden (Schr. v. 12.01.2018, BStBl I 2018, 175).

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegenüber den Bestimmungen der Beamtengesetze zur Amtsverschwiegenheit ist § 30 AO eine vorrangige Sondervorschrift. Eine nach § 37 Abs. 3 BeamtStG zu erteilende Aussagegenehmigung muss daher ggfs. mit Rücksicht auf § 30 AO versagt werden (BFH v. 25.05.1967, VII 151/60 BStBl III 1967, 572).

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