Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Einleitung des Strafverfahrens ist ein prozessualer Vorgang, der die Rechtsstellung des Beschuldigten ändert (s. § 393 Abs. 1 AO; keine Selbstbezichtigung, keine Anwendung von Zwangsmitteln) und den Lauf der Verfolgungsverjährung unterbricht (s. § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB). Eine Mitteilung mittels Formblatt, welches lediglich pauschale und zeitlich unpräzise Vorwürfe beinhaltet, führt nicht zu einer Verjährungsunterbrechung (OLG Hamburg v. 24.03.1987, 2 Ss 134/86, wistra 1987, 189; BayObLG v. 26.10.1987, RReg 4 St 106/87, wistra 1988, 81). Auch für den Schutzbereich des Steuergeheimnisses ist die Bekanntgabe der Einleitung des Steuerstrafverfahrens nach § 30 Abs. 4 Nr. 4a AO bedeutsam. Darüber hinaus hat die Einleitung der strafrechtlichen Untersuchung auch materiellrechtliche Bedeutung, denn deren Bekanntgabe schließt nach § 371 Abs. 2 Nr. 1b AO die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige aus. Umgekehrt führt eine Selbstanzeige oft zur Verfahrenseinleitung, um sodann deren Wirksamkeit zu prüfen (BFH v. 29.04.2008, VIII R 5/06, BStBl II 2008, 844).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 397 AO ergänzt § 152 StPO, wonach ein Strafverfahren einzuleiten ist, sobald zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat vorliegen. Damit ist der Anfangsverdacht umschrieben. Es müssen konkrete Anhaltspunkte vorliegen, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Dennoch liegt die Schwelle des Anfangsverdachts niedrig (BVerfG v. 06.02.2002, 2 BvR 1249/01, wistra 2002, 135). Die Rechtsprechung hat einen Anfangsverdacht angenommen bei anonymisierten Kapitaltransfers in das Ausland (LG Bielefeld v. 09.03.1999, Qs 109/99 I, 148/99 I, NStZ-RR 2000, 21; BVerfG v. 23.03.1994, 2 BvR 396/94, Inf. 1994, 284). Ein Anfangsverdacht besteht auch dann, wenn Kunden, die ein Konto bei einer Bank unterhalten, Tafelgeschäfte außerhalb dieser Konten anonymisiert in der Art von Bargeschäften abwickeln (BFH v. 02.08.2001, VII B 290/99, BStBl II 2001, 665; BVerfG v. 01.03.2002, 2 BvR 972/00, wistra 2002, 298). Die Rechtsprechung hat einen Anfangsverdacht dagegen abgelehnt, wenn in banküblicher Weise Kapitaltransfers von Kunden durchgeführt werden (BFH v. 06.02.2001, VII B 277/00, BStBl II 2001, 306). Auch die Inhaberschaft von Tafelpapieren, verbunden mit der Einlieferung solcher Papiere in die legitimationsgeprüfte (s. § 154 Abs. 2 AO) Sammeldepotverwahrung eines Kreditinstituts, begründet keinen strafrechtlichen Anfangsverdacht (BFH v. 25.07.2000, VII B 28/99, BStBl II 2000, 643).

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