Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für die Verjährung von Steuerstraftaten (Verfolgungsverjährung) gelten die allgemeinen Vorschriften der §§ 78 bis 78c StGB. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre (s. § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). In den Fällen des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 6 AO verlängert § 376 Abs. 1 AO die Frist auf zehn Jahre. Der Vorschrift kommt im Übrigen insoweit eine eigenständige Bedeutung zu, als der Katalog der Unterbrechungshandlungen nach § 78c StGB auch für den Fall der Bekanntgabe der Einleitung eines Bußgeldverfahrens erweitert wird.

 

Tz. 1a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Verlängerung der Verjährungsfrist für die Steuerhinterziehung bei Vorliegen eines Regelbeispiels nach § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 5 AO auf zehn Jahre ist durch das JStG 2009 eingeführt worden. Sie gilt nach Art. 97 § 23 EGAO für alle Fälle, in denen bei Inkrafttreten der Neuregelung am 25.12.2008 (Art. 39 Abs. 1 JStG 2009) noch keine Strafverfolgungsverjährung eingetreten war. Hierin liegt kein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG, weil die Verjährung nicht die Strafbarkeit der Tat berührt (BVerfG v. 26.02.1969, 2 BvL 15/68, 2 BvL 23/68, NJW 1969, 199; BGH v. 13.06.2013, 1 StR 226/13, wistra 2013, 471; BGH v. 08.12.2016, 1 StR 389/16, wistra 2017, 234). Im Schrifttum wird geltend gemacht, die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre verstoße gegen Art. 3 GG, weil sie ohne vernünftigen Grund nur für die Regelbeispiele der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall gelte, nicht aber für den unbenannten Fall des § 370 Abs. 3 Satz 1 AO. Im Übrigen sei sie nicht hinreichend Bestimmt, weil bei der Anwendung der Regelbeispiele ein Beurteilungsspielraum bestehe (Haas/Wilke, NStZ 2010, 297; Haumann, AO-StB 2012, 157). U. E. ist dem nicht zu folgen, weil die Regelbeispiele gesetzlich umschrieben sind (BGH v. 05.03.2013, 1 StR 73/13, NStZ 2013, 415: verfassungsrechtlich unbedenklich). Zur Anwendung des § 78b Abs. 4 StGB auf § 376 AO s. BGH v. 07.12.2016, 1 StR 185/16, wistra 2017, 321. Die Einbeziehung der unbestimmten Fälle hätte die Unsicherheit erst geschaffen. Streitig ist ferner, ob die Verlängerung der Verjährung allein vom Vorliegen eines Regelbeispielfalles abhängig ist, oder ob der Fall nach Abwägung aller Umstände als besonders schwerer Fall gewertet werden muss. U. E. ist die zweite Auslegung vorzugswürdig, weil sich sonst Wertungswidersprüche ergeben. Den kritischen Stimmen ist aber grundsätzlich darin zu folgen, dass diese Regelung der Beratungspraxis in Selbstanzeigefällen eine erhebliche Verantwortung aufgebürdet hat. Sie bewegt sich nun im Konflikt zwischen unnötig langer Ausdehnung der Selbstanzeige in die Vergangenheit einerseits und strafrechtlicher Gefährdung des Mandanten andererseits, sollte die Selbstanzeige doch nicht alle strafrechtlich unverjährte Zeiträume erfassen.

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