Tz. 22

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Es muss ein Fall erschwerter Sachverhaltsaufklärung vorliegen (h. M., u. a. BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121 m. w. N.; BFH v. 11.04.2017, IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155 m. w. N.). Sie liegt vor, wenn der steuererhebliche Sachverhalt nur mit großem unzumutbarem Aufwand, d. h. mit überdurchschnittlichem Arbeits- und Zeitaufwand oder überdurchschnittlicher Zeitdauer ermittelt werden kann, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist (BMF v. 30.07.2008, BStBl I 2008, 831, Nr. 3; von Wedelstädt, AO-StB 2001, 190 m. w. N.). Hat die Finanzbehörde ihre Ermittlungspflichten ggf. auch durch Auskunfts- und Vorlageersuchen nicht ordnungsgemäß wahrgenommen, steht dies einer tatsächlichen Verständigung entgegen. Ob die Finanzbehörde den Sachverhalt ermittelt, darf nicht in ihrem eigenen Gutdünken und/oder der Initiative oder dem Belieben der Beteiligten überlassen bleiben (BFH v. 07.07.2004, X R 24/03, BStBl II 2004, 975). Eine erschwerte Sachverhaltsermittlung ist nicht durch die Kompliziertheit eines Sachverhalts allein, also z. B. durch eine überdurchschnittliche Detaildichte, begründet.

 

Tz. 23

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die tatsächliche Verständigung muss in der zuständigen Behörde von dem für ihre Umsetzung im Rahmen der Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger getroffen werden (u. a. BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121). Zuständig sind regelmäßig der Vorsteher des FA sowie der Sachgebietsleiter der Veranlagungsstelle oder der Rechtsbehelfsstelle bei Befassung durch diese (BFH v. 05.10.1990. III R 19/88, BStBl II 1991, 45; BFH v. 25.11.1997, IX R 47/94, BFH/NV 1998, 580) sowie im Rahmen ihrer Zeichnungsbefugnis die Sachbearbeiter. Bei veranlagender Betriebsprüfung kann die tatsächliche Verständigung auch vom Sachgebietsleiter der Betriebsprüfungsstelle abgeschlossen werden kann (BFH v. 22.09.2004, III R 9/03, BStBl II 2005, 160). Aufgrund der hier abgelehnten Ansicht des BFH, dass die Bindungswirkung auf dem Grundsatz von Treu und Glauben beruht, kann der zuständige Amtsträger nicht vertreten noch kann eine von einem unzuständigen Amtsträger getroffene tatsächliche Vereinbarung von dem zuständigen genehmigt werden, etwa wenn der Veranlagungsbezirk sie in der Änderungsfestsetzung übernimmt (BFH v. 28.07.1993, XI R 68/92, BFH/NV 1994, 290; a. A. Seer in Tipke/Kruse, Vor § 118 AO Rz. 25 m. w. N.; Wiese, BB 1994, 333, 335; auch s. Rz. 29 a. E.). Wird der Stpfl. vertreten, so muss eine entsprechende Vollmacht vorliegen. Eine uneingeschränkte Vollmacht nach § 80 Abs. 1 Satz 2 AO umfasst auch die Befugnis zu einer tatsächlichen Verständigung.

 

Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die tatsächliche Verständigung darf nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen (u. a. BFH v. 08.10.2008, I R 63/07, BStBl II 2009, 121 m. w. N.; BFH v. 11.04.2017, IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155 m. w. N.; BMF v. 30.07.2008, BStBl I 2008, 831, Nr. 2.2). Dies ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände des Einzelfallszu beurteilen (BFH v. 26.10.2005, X B 41/05, BFH/NV 2006, 243; BFH v. 11.04.2017, IX R 24/15, BStBl II 2017, 1155 m. w. N.) und z. B. der Fall bei einem Verstoß gegen die Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze (BFH v. 06.02.1991, I R 19/86, BStBl II 1991, 673) oder wenn der in der tatsächlichen Verständigung angenommene Grundsachverhalt nicht zutrifft (FG Münster v. 26.02.1997, 1 K 4356/94 U, EFG 1996, 929).

 

Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Voraussetzungen der Wirksamkeit einer tatsächlichen Verständigung werden im Rechtsbehelfsverfahren gegen den Festsetzungs- oder Feststellungsbescheid geprüft, in dem sie berücksichtigt worden ist (BFH v. 12.06.2017, III B 144/16, BStBl II 2017, 1165 m. w. N.).

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