Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Mit der Einfügung des § 93 Abs. 1a AO durch das StUmgBG vom 28.06.2017 (BGBl I 2017, 1682) soll die bisherige Praxis der sog. Sammelauskunftsersuchen auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden (s. auch § 208 AO Rz. 12). Dabei orientiert sich die gesetzliche Regelung an der bisherigen Rspr., die diese Form der Sachverhaltsaufklärung grds. für zulässig hält (BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Eine Ausweitung der bisherigen Praxis soll mit der Kodifizierung nicht verbunden sein (BR-Drs. 816/16, 21).

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 93 Abs. 1a Satz 1 AO enthält eine Legaldefinition des Begriffs der Sammelauskunft. Die Finanzbehörde darf an andere Personen als den Beteiligten Auskunftsersuchen über eine ihr noch unbekannte Anzahl von Sachverhalten mit dem Grunde nach bestimmbaren, ihr noch nicht bekannten Personen stellen. Von der Auskunft nach Abs. 1 unterscheidet sich die Sammelauskunft dadurch, dass sie nicht auf die Sachverhaltsermittlung in einem konkreten, individuellen Besteuerungsverfahren gerichtet ist. Es entspricht der Natur des Sammelauskunftsersuchens, dass der Steuerpflichtige der Finanzbehörde nicht bestimmt ist. Das Sammelauskunftsersuchen soll gerade der Aufdeckung von steuerlich relevanten Sachverhalten führen. Das Gesetz gibt keine möglichen Sachverhalte vor, die Gegenstand von Sammelauskunftsersuchen sein können. Es kann sich daher auf alle Steuer- und Einkunftsarten beziehen. Unerheblich ist auch, ob es um inländische Sachverhalte oder um Sachverhalte mit Auslandsbezug geht. Eingeschränkt wird die Ermittlungsbefugnis durch die Voraussetzung, dass der Personenkreis, auf den sich das Sammelauskunftsersuchen erstreckt, dem Grunde nach bestimmbar sein muss. Damit wird das für den Erlass von Verwaltungsakten ohnehin geltende Gebot der inhaltlichen Bestimmtheit nochmals ausdrücklich wiederaufgenommen und konkretisiert. Es wird sich also in der Regel um einen Personenkreis handeln, der im Kenntnisbereich des Auskunftspflichtigen gleichartige Besteuerungssachverhalte verwirklicht. Ob die Finanzbehörde ein Sammelauskunftsersuchen ausbringt, ist in deren Ermessen gestellt. Sie "darf", muss aber kein Sammelersuchen stellen.

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 93 Abs. 1a Satz 2 AO sieht in Anwendung der zum Sammelauskunftsersuchen entwickelten Rechtsprechungsgrundsätze als weitere Tatbestandsvoraussetzung zum einen vor, dass ein hinreichender Anlass für die Ermittlungen bestehen muss. Damit sollen Ermittlungen "ins Blaue" hinein, also anlasslose Ermittlungshandlung, vermieden werden. Allerdings ist die Anlassschwelle nicht besonders hoch (BFH v. 19.07.2015, X R 4/14, BStBl II 2016, 135). Ein hinreichender Anlass ist schon dann gegeben, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte oder aufgrund allgemeiner Erfahrungen die Möglichkeit einer Steuerverkürzung in Betracht kommt. Es reicht danach aus, wenn die Finanzbehörde im Rahmen einer Prognoseentscheidung zum dem Schluss kommt, dass die Aufdeckung steuerlich erheblicher Sachverhalte möglich ist. Diese Prognoseentscheidung ist auf der Tatbestandsebene der Ermessensentscheidung zu treffen und somit nicht durch einen Ermessensspielraum gedeckt. Sie ist als Ex-ante-Beurteilung einer gerichtlichen Prüfung zulässig. Als hinreichenden Anlass hat die Rspr. z. B. die Zugehörigkeit zum Rotlichtmilieu oder auch Immobilen-Chiffre-Anzeigen angesehen (BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822). Zum anderen setzt das Sammelauskunftsersuchen voraus, dass andere zumutbare Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung keinen Erfolg versprechen. Die Finanzbehörde muss also andere Sachaufklärungsmaßnahmen zumindest erwägen. Allerdings muss das Sammelauskunftsersuchen nicht ultima ratio sein. Im Rahmen der Zumutbarkeit muss auch der Aufwand für den Inanspruchgenommenen in die Entscheidung einfließen. Dabei muss der Aufwand im Verhältnis zu dem prognostizierten Steuerertrag angemessen sein. Wie schon vor der Kodifizierung muss im Rahmen der Ermessensprüfung auch geprüft werden, ob das Auskunftsersuchen in grundrechtlich besonders geschützte Bereiche eingreift, wie z. B. die Pressefreiheit. Ist dies der Fall, bedarf es insoweit einer gesonderten Interessenabwägung. Allerdings fällt der Werbeteil eines Presseerzeugnisses – anders als der redaktionelle Bereich – oft schon nicht in den Schutzbereich des Art. 5 GG (BFH v. 12.05.2016, II R 17/14, BStBl II 2016, 822).

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 93 Abs. 1a Satz 3 AO stellt klar, das Abs. 1 Satz 3 keine Anwendung findet. Das ist notwendige Folge aus der Natur des Sammelauskunftsersuchens, da es erst um die Ermittlung möglicher Beteiligter eines Besteuerungsverfahrens geht.

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