Entscheidungsstichwort (Thema)

Anforderungen an die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheids nach § 191 AO

 

Leitsatz (redaktionell)

Für die Rechtmäßigkeit eines Duldungsbescheides ist die fehlerhafte Bezeichnung der Anspruchs- bzw Anfechtungsnorm nach dem AnfG unschädlich, wenn ein anderer Anfechtungsgrund greift. Das Finanzamt muss zwar im Duldungsbescheid den Anfechtungsgrund bezeichnen. Damit ist aber nicht die Bezeichnung der jeweils anwendbaren Rechtsnorm des Anfechtungsgesetzes gemeint, sondern die Schilderung der tatsächlichen Grundlage für die Anfechtung.

 

Normenkette

AO § 191; AnfG §§ 1, 3 Abs. 2, § 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob das Finanzamt die Klägerin rechtmäßig mit Duldungsbescheiden gemäß § 191 Abgabenordnung (AO) in Verbindung mit dem Anfechtungsgesetz (AnfG) in Anspruch genommen hat.

Die Klägerin ist seit mindestens April 2006 mit Herrn N bekannt; damals wurde durch diesen eine gemeinsame Reise in die USA gebucht. Aus einer Verdienstabrechnung für 2007 der AAA, einer ehemaligen Firma des N (angemeldet zum 01.09.2001), ergibt sich, dass die Klägerin seit März 2007 bei dieser beschäftigt war und zu diesem Zeitpunkt auch schon unter der gleichen Anschrift wohnte, wie N. Aus den Lohndaten in den Akten des Finanzamts ergibt sich, dass die Klägerin seit Anfang 2006 diese Wohnung gegenüber ihrem damaligen Arbeitgeber angegeben hat. Aus diesen Daten ergibt sich auch, dass sie im Jahr 2005 15.700 €, im Jahr 2006 20.580 €, im Jahr 2007 20.690 €, im Jahr 2008 19.098 €, im Jahr 2009 nur Arbeitslosengeld (184,48 €) und im Jahr 2010 19.147,68 € verdient hat.

N hatte neben der AAA noch einen Gebrauchtwagenhandel US angemeldet zum 22.04.2003.

In der Zeit vom 08.06.2009 bis zum 18.05.2010 wurden die Gewerbe des N einer Außenprüfung durch das Finanzamt für die Jahre 2004 bis 2007 unterzogen, in deren Folge die Steuerfestsetzungen erhöht wurden. Diese Festsetzungen sind mittlerweile bestandskräftig.

Zwischen dem 01.07.2010 und dem 01.10.2010 übertrug N der Klägerin das Eigentum an folgenden Sachen:

  • Pkw GMC Yukon (laut Kaufvertrag; laut Zulassungsbescheinigung Teil II ein Chevrolet Suburban), Fahrzeugidentnummer 0000000000, amtl. Kennzeichen Y-YY 1, Erstzulassung auf N 01.07.2000, Zulassung auf die Klägerin 01.10.2010, Verkauf an die "Fa. P." mit Vertrag vom 01.06.2010 zu einem Preis von 7.000 € ohne Ausweis von Mehrwertsteuer
  • 5er BMW, Erstzulassung 06.06.1995
  • Kfz-Anhänger, amtl. Kennzeichen Y-YY 2, Fahrzeugidentnummer 0000000001, Erstzulassung 01.02.2001.

Für den BMW und den Anhänger wurde kein schriftlicher Kaufvertrag vorgelegt; die Fahrzeuge wurden aber in diesem Zeitraum auf die Klägerin umgemeldet.

Die Klägerin legte dem Finanzamt im Einspruchsverfahren gegen einen anderen Bescheid elf auf den 30.05.2010 datierte Quittungen vor, in denen N bestätigt, für elf jeweils mit Fahrzeugidentifikationnummer individualisierte Pkw Geldbeträge von der Klägerin in Höhe von insgesamt 11.400 € erhalten zu haben.

Das Finanzamt hat im Jahr 2010 erfolglos versucht, Steuerschulden des N im Wege der Vollstreckung bei diesem einzutreiben.Gegen die Klägerin hat das Finanzamt daraufhin zunächst folgende Duldungsbescheide erlassen:

Nr.

Datum

Verwaltungsakt

Steuerschulden N

Gegenstand Duldung

1

24.08.2011

Duldungsbescheid § 3 II AnfG

Säumniszu. ESt, USt

Chevrolet, Anhänger

2

09.12.2011

Duldungsbescheid § 3 II AnfG

ESt 04 – 08 (+ Nebenleistungen), USt-SZ

11 Fahrzeuge

3

09.12.2011

Duldungsbescheid § 3 II AnfG

USt 04 – 10 (+ Nebenleistungen)

11 Fahrzeuge

4

09.12.2011

Duldungsbescheid § 4 AnfG

ESt 04 – 08 (+ Nebenleistungen), USt-SZ

11 Fahrzeuge

5

09.12.2011

Duldungsbescheid § 4 AnfG

Säumniszu. ESt, USt

Chevrolet, Anhänger

6

09.12.2011

Duldungsbescheid § 4 AnfG

USt 04 – 10 (+ Nebenleistungen)

11 Fahrzeuge

Alle Bescheide legen fest, dass die Klägerin die Vollstreckung in die jeweils aufgeführten Gegenstände „wegen eines Gesamtbetrages von“, an dieser Stelle folgt die Summe der von N geschuldeten Steuern und Nebenleistungen, zu dulden habe, als gehörten die Gegenstände noch zum Vermögen des N.

Bis auf die Bescheide Nr. 3 und Nr. 6 enthalten alle ein Leistungsgebot, welches jeweils ausführt, die Klägerin könne die Zwangsvollstreckung in die genannten Gegenstände durch Zahlung des „oben genannten Gesamtbetrages“ abwenden. Mit „Gesamtbetrag“ ist in den Bescheiden Nr. 1 und 7 bis 9 jeweils die Gesamtsumme von geschuldeten Steuern plus Säumniszuschläge bezeichnet (in den Bescheiden Nr. 2 und 10 sind Säumniszuschläge nicht erwähnt, das Ergebnis der Summierung wird nur mit „Summe“ bezeichnet).

Mit Bescheid vom 17.02.2012 hob das Finanzamt die Bescheide Nr. 2 und Nr. 4 bis 6 wegen formeller Fehler auf und erließ am selben Tag folgende Ersatzbescheide:

Nr.

Datum

Verwaltungsakt

Steuerschulden N

Gegenstand Duldung

7

17.02.2012

Duldungsbescheid § 3 II AnfG

ESt 04 – 08 (+ Nebenleistungen), USt-SZ

11 Fahrzeuge

8

17.02.2012

Duldungsbescheid § 4 AnfG

ESt 04 – 08 (+ Nebenleistungen), USt-SZ

11 Fahrzeuge

9

17.02.2012

Duldungsbescheid § 4 AnfG

Säumniszu. ESt, USt

Chevrolet, ...

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