Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsangleichung, Amtshilfe, Auskunftsaustausch, Steuerverkürzung

 

Leitsatz (amtlich)

Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern ist wie folgt auszulegen:

-Die dort genannte Steuerverkürzung braucht sich nicht aus einer ausdrücklichen Handlung der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats zu ergeben.

-Der Begriff Steuerverkürzung bezeichnet eine nicht gerechtfertigte Steuerersparnis in einem anderen Mitgliedstaat.

 

Normenkette

EWGRL 799/77 Art. 4 Abs. 1, 3

 

Beteiligte

W.N

W. N

Staatssecretaris van Financiën

 

Verfahrensgang

Raad van Satate (Niederlande)

 

Tatbestand

Rechtsangleichung - Richtlinie 77/799/EWG - Gegenseitige Amtshilfe zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern - Spontaner Auskunftsaustausch

In der Rechtssache C-420/98

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) vom Nederlandse Raad van State in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

W. N.

gegen

Staatssecretaris van Financiën

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15)

erläßt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Sevón sowie der Richter P. Jann (Berichterstatter) und M. Wathelet,

Generalanwalt: S. Alber

Kanzler: H. A. Rühl, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

-der niederländischen Regierung, vertreten durch M. A. Fierstra, Leiter der Abteilung Europarecht im Ministerium für auswärtige Angelegenheiten, als Bevollmächtigten,

-der französischen Regierung, vertreten durch K. Rispal-Bellanger, Abteilungsleiterin in der Direktion für Rechtsfragen des Ministeriums für auswärtige Angelegenheiten, und S. Seam, Sekretär für auswärtige Angelegenheiten in derselben Direktion, als Bevollmächtigte,

-der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Hauptrechtsberater E. Mennens sowie H. Michard und H. Speyart, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der niederländischen Regierung und der Kommission in der Sitzung vom 18. November 1999,

nach Anhörung des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Januar 2000,

folgendes

Urteil

1. Der Nederlandse Raad van State hat mit Beschluß vom 19. November 1998, beim Gerichtshof eingegangen am 23. November 1998, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetztArtikel 234 EG) drei Fragen nach der Auslegung von Artikel 4 Absätze 1 und 3 der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15, im folgenden: Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2. Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen W. N. (im folgenden: Kläger) und dem Staatssecretaris van Financiën (niederländischer Staatssekretär für Finanzen, im folgenden: Beklagter) über dessen Entscheidung, die zuständigen spanischen Behörden davon zu unterrichten, daß der Kläger seiner Ehefrau in Spanien eine Unterhaltsrente gezahlt hatte.

Rechtlicher Rahmen

Das Gemeinschaftsrecht

3. Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie sieht vor:

Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten erteilen sich nach dieser Richtlinie gegenseitig alle Auskünfte, die für die zutreffende Festsetzung der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen geeignet sein können.

4. Artikel 4 der Richtlinie (Spontaner Auskunftsaustausch) bestimmt:

(1)Die zuständige Behörde jedes Mitgliedstaats soll der zuständigen Behörde eines anderen Mitgliedstaats die in Artikel 1 Absatz 1 bezeichneten Auskünfte, die ihr bekannt werden, in folgenden Fällen ohne vorheriges Ersuchen erteilen:

a)wenn die zuständige Behörde eines Mitgliedstaats Gründe für die Vermutung einer Steuerverkürzung [in der niederländischen Fassung: .abnormale vrijstelling of vermindering van belasting'] in dem anderen Mitgliedstaat hat;

b)wenn ein Steuerpflichtiger eine Steuerermäßigung oder Steuerbefreiung in einem Mitgliedstaat erhält, die für ihn eine Steuererhöhung oder eine Besteuerung in einem anderen Mitgliedstaat zur Folge haben müßte;

(3)Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können sich in allen anderen Fällen gegenseitig ohne vorheriges Ersuchen die in Artikel 1 Absatz 1 bezeichneten Auskünfte erteilen, die ihnen zur Kenntnis gelangen.

Das nationale Recht

5. Nach Artikel 7 Absatz 1 der Wet op de internationale bijstandsverlening bij de heffing van belastingen (Gesetz über die internationale Amtshilfe im Bereich der Steuererhebung, im folgenden: WIB) in der zum maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung kann der Finanzminister einer zuständigen Behörde von sich aus Auskünfte erteilen, die fü...

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