Wahlrecht für die Tarifvergünstigung von Veräußerungsgewinnen

Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben und Mitunternehmeranteilen sind einkommensteuerrechtlich durch einen Veräußerungsfreibetrag und einen begünstigten Steuersatz privilegiert. Der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wird personenbezogen und nur auf Antrag gewährt. Er ist dem Steuerpflichtigen für alle Gewinneinkunftsarten nur einmal im Leben zu gewähren.

Also für Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Betrieb eines selbstständig Tätigen sowie land- und forstwirtschaftlichen Betrieb (BFH, Urteil v. 21.7.2009, X R 2/09).

Veräußerung mehrere Betriebe in einem Veranlagungszeitraum

Hat der Steuerpflichtige in einem Veranlagungszeitraum mehrere selbstständige Betriebe oder einen Teilbetrieb und einen Mitunternehmeranteil veräußert, kann er dennoch den Freibetrag nur einmal beanspruchen. Er kann jedoch wählen, bei welchem Objekt er den Freibetrag abziehen will (R 16 Abs. 13 Satz 7 EStR 2012). Der Freibetrag ist auch dann voll verbraucht, wenn der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn niedriger als der Freibetrag ist, dieser also nicht voll ausgeschöpft wurde. Nicht verbrauchte Teile des Freibetrags können nicht bei einer anderen Veräußerung oder Aufgabe in Anspruch genommen werden (R 16 Abs. 13 Satz 4 EStR 2012).

Fraglich und praxisrelevant ist, ob ein Steuerpflichtiger, der in einem Kalenderjahr mehrere Veräußerungsgewinne erzielt hat, den Antrag auf Gewährung des Freibetrags nach bereits ausgeübtem Wahlrecht und Bestandskraft dieses Bescheids noch ändern kann, wenn im Rahmen einer Änderungsveranlagung ein weiterer – höherer – Veräußerungsgewinn berücksichtigt wird.

Beispiel: Nachzahlung aufgrund einer Außenprüfung

Der 65 Jahre alte A erzielte 2015 sowohl als Einzelunternehmer als auch durch eine Kommanditbeteiligung an der X-KG Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Am 30.6.2015 gab A den Betrieb seines Einzelunternehmens auf. Zum 31.12.2015 schied er aus der KG aus.

Er beantragte in seiner Einkommensteuererklärung 2015 zunächst den Freibetrag für den Aufgabegewinn aus seinem Einzelunternehmen i. H. v. 5.000 EUR. Nach Rechtskraft des Einkommensteuerbescheids 2015 änderte das Finanzamt diesen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO, weil das für die KG zuständige Betriebsstättenfinanzamt dem Wohnsitzfinanzamt des A im Feststellungsverfahren mitgeteilt hat, dieser habe aufgrund seines Ausscheidens aus der KG zum 31.12.2015 einen Veräußerungsgewinn i. H. v. 40.000 EUR erzielt.

A legt gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2015 fristgerecht Einspruch ein und beantragt, den Freibetrag „auszuwechseln“, d. h. ihm für den Gewinn aus der Veräußerung des Kommanditanteils den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von 40.000 EUR zu gewähren.

Praxistipp: BFH lässt geänderte Ausübung des Wahlrechts zu

Nach einer neuen Entscheidung des BFH (Urteil v. 27.10.2015, X R 44/13) kann A sein durch § 16 Abs. 4 EStG eröffnetes Antragsrecht im Einspruchsverfahren gegen den Änderungsbescheid 2015 anderweitig ausüben. Damit steht ihm der Freibetrag nunmehr für den Gewinn aus der Veräußerung der KG-Beteiligung (40.000 EUR) zu.

Im hier vorliegenden Fall wird die zeitliche Grenze für die Möglichkeit der erstmaligen oder geänderten Ausübung eines Antrags- oder Wahlrechts nach Auffassung des BFH nicht durch die formelle Bestandskraft des Erstbescheids, sondern erst durch die formelle Bestandskraft des steuererhöhenden Änderungsbescheids gezogen, sofern die steuerlichen Auswirkungen der Ausübung des Antrags- oder Wahlrechts nicht über den durch § 351 Abs. 1 AO gezogenen Rahmen hinausgehen. Danach ist die Anfechtbarkeit des geänderten Einkommensteuerbescheids auf den Umfang der Änderung beschränkt, d. h. die unter Berücksichtigung der geänderten Wahlrechtsausübung festzusetzende Steuer darf nicht die im ursprünglichen Steuerbescheid festgesetzte Steuer unterschreiten (Vgl. Korn, KÖSDI 2017 S. 20128, 20129).

A steht daher für den Gewinn aus der Veräußerung seiner KG-Beteiligung ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG von 40.000 EUR zu. Der bisher für den Gewinn aus der Aufgabe des Einzelunternehmens von 5.000 EUR gewährte Freibetrag muss jedoch gegengerechnet werden. Genau genommen muss u. E. der Freibetrag von 5.000 EUR rückgängig gemacht und der Freibetrag von 40.000 EUR neu gewährt werden. Im Vergleich zum ursprünglichen Einkommensteuerbescheid werden also 5.000 EUR mehr – allerdings nach § 34 Abs. 1 EStG oder auf Antrag nach § 34 Abs. 3 EStG begünstigt – versteuert.