Leitsatz

1. Wird nur ein auf einem Grundstück gelegenes Gebäude oder ein Gebäudeteil vermietet oder verpachtet, bezieht sich die Einkünfteerzielungsabsicht nur hierauf. Die Prüfung, ob der Steuerpflichtige durch seine Vermietungstätigkeit langfristig einen Einnahmenüberschuss erzielen will, ist jeweils auf das einzelne Mietobjekt bezogen.

2. Die Feststellung, ob der Steuerpflichtige beabsichtigte, langfristig Einkünfte aus dem Objekt zu erzielen, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu treffen.

3. Mietverträge unter nahestehenden Personen sind in der Regel der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, wenn die Gestaltung oder die tatsächliche Durchführung nicht dem zwischen Fremden Üblichen entspricht.

4. Mietrechtliche Gestaltungen sind insbesondere dann unangemessen i.S. v. § 42 AO, wenn derjenige, der einen Gebäudeteil für eigene Zwecke benötigt, einem anderen daran die wirtschaftliche Verfügungsmacht einräumt, um ihn anschließend wieder zurückzumieten.

 

Normenkette

§ 42 AO, § 41 Abs. 2 Satz 1, § 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 EStG

 

Sachverhalt

A und B gründeten eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Diese erwarb ein nicht real geteiltes Grundstück. Die Gesellschafter und ihre Familien nutzten das Grundstück im Wesentlichen selbst auf der Grundlage wechselseitiger Mietverträge, in denen sie sich u.a. die im Gesellschaftsvertrag zur alleinigen Nutzung zugewiesenen Gebäudeteile gegenseitig vermieteten (vereinfacht). Das FA akzeptierte die Vermietung auf der Grundlage der Bruchteilsbetrachtung nur zum Teil. Das FG änderte daran im Ergebnis nichts; stützte sich zur Begründung jedoch auf § 42 AO (FG München, Urteil vom 12.12.2012, 1 K 3645/08, Haufe-Index 3618865).

 

Entscheidung

Der BFH hat das Urteil des FG bestätigt und die Revision zurückgewiesen.

 

Hinweis

§ 42 AO ist quasi die rote Karte des Steuerrechts. Sie wirkt stets auch generalpräventiv. Der BFH zieht sie eher selten. Aus gutem Grund, denn die Norm gibt bekanntlich die Wertungen nicht vor, denen sie zum Durchbruch verhelfen soll. Diese müssen dem umgangenen Gesetz entnommen werden, was die Frage aufwirft, warum das Gesetz, wenn es die Wertung enthält, nicht auch die passende Rechtsfolge vorsieht? Für die Praxis ist vor allem von Bedeutung, welche Sachverhaltsgestaltungen der BFH als Missbrauch beurteilt. Allein unter diesem Aspekt ist auch das Besprechungsurteil von Interesse.

1. Ist die Beurteilung einer Gestaltung als rechtsmissbräuchlich eine Rechts- oder eine Tatfrage? Letzteres nimmt der 9. Senat an, indem er die entsprechende Aussage des FG als möglich bezeichnet und sich daran gebunden sieht (Rz. 34; § 118 Abs. 2 FGO). Zwar hat der BFH in der Vergangenheit auch die grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO verneint, weil § 42 AO eine umfassende Würdigung des Sachverhalts voraussetze, die nicht über den Einzelfall hinausweise (z.B. BFH, Beschluss vom 4.5.2012, VIII B 174/11, BFH/NV 2012, 1330). Das Besprechungsurteil geht aber weit darüber hinaus mit einschneidenden Folgen für den Rechtsschutz.

2. Als missbräuchlich beurteilt der BFH im Streitfall die Vereinbarung ausschließlicher Nutzungsrechte gem. § 745 BGB im Gesellschaftsvertrag (Rz. 35; im Urteil als "Aufteilung der Gesellschaftsanteile" bezeichnet). Problematisch ist indes, dass die Gesellschafter den überlassenen Gebäudeteil vom jeweils anderen sofort wieder zurückgemietet hatten (vgl. Leitsatz 4).

3. Die Tücke des Falls lag darin, dass der eine Gesellschafter zwar Geld, aber keinen großen Raumbedarf hatte, während es beim anderen Gesellschafter umgekehrt war. Im Gesellschaftsvertrag waren die Nutzungsrechte nach Kapitaleinsatz verteilt worden; die Mietverträge berücksichtigten dagegen die unterschiedlichen Nutzungsbedürfnisse. Nach Auffassung des BFH hätten sich die Gesellschafter jedenfalls die jeweils selbst benötigten Gebäudeteile auch im Gesellschaftsvertrag zur Nutzung vorbehalten müssen (Rz. 38).

4. Zum selben Ergebnis kommt die auf § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (Bruchteilsbetrachtung) gestützte Rechtsprechung, nach der die (auf ein gesellschaftsrechtliches Nutzungsrecht gestützte) Vermietung an Mitgesellschafter den Tatbestand des § 21 EStG nur erfüllt, soweit der Mieter das gemeinsame Gebäude über seinen Miteigentumsanteil hinaus nutzt (BFH, Urteile vom 18.5.2004, IX R 49/02, BFH/NV 2004, 1325 und vom 7.6.2006, IX R 14/04, BFH/NV 2006, 2053; vgl. auch R 164 EStR 2003). Auf die Fragen, wie sich diese Rechtsprechung zur Anwendung des § 42 AO verhält, geht das Urteil nicht ein.

5. Was bleibt, ist der Appell, es nicht zu bunt zu treiben. Wieder einmal hat es eine Vermietungsgestaltung getroffen (vgl. auch BFH, Urteil vom 22.1.2013, IX R 18/12, BFH/NV 2013, 1094). Fast bedrohlich weist der BFH am Schluss des Urteils darauf hin, dass er nur durch das Verböserungsverbot gehindert gewesen sei, den Werbungskostenabzug vollständig zu versagen. Dieser Hinweis sollte nicht überhört werden!

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 9.10.2013 – IX R 2/13

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Steuer Office Excellence. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge