Kommentar

Eine in einem Kaufhaus beschäftigte Verkaufsleiterin verließ ihre Wohnung gegen 10.45 Uhr und fuhr mit dem Pkw auf dem für sie zum Arbeitsantritt üblichen Weg in Richtung ihrer Arbeitsstätte, wo sie um 12.00 Uhr ihre Arbeit aufnehmen wollte. Sie bog allerdings von der üblichen Fahrtroute ab, weil sie um ca. 11.00 Uhr einen vorher vereinbarten Arzttermin wahrnehmen wollte. Nach der ärztlichen Behandlung fuhr die Klägerin weiter in Richtung ihres Arbeitgebers. Auf einem Wegstück, auf dem sie noch nicht die übliche Route ihres Weges zur Arbeitsstätte erreicht hatte, erlitt die Klägerin gegen 12.30 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem sie sich Verletzungen zuzog. Die Berufsgenossenschaft lehnt Entschädigungsleistungen ab , weil die Klägerin sich bei diesem Unfall nicht auf dem direkten Weg, sondern auf einem unversicherten Umweg befunden habe ( Unfallversicherung, gesetzliche ).

Das Gericht folgte dieser Ansicht: Die Verkaufsleiterin hat an dem fraglichen Tag keinen Arbeitsunfall erlitten , denn sie ist nicht auf dem Weg nach dem Ort der Tätigkeit verunglückt . Zwar hat der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Vorschrift den Versicherungsschutz für Wege nach und von der Arbeitsstätte nicht auf den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt, sondern lediglich darauf abgestellt, daß die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist. Es ist aber darüber hinaus erforderlich, daß der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen zusammenhängt. Dieser Zusammenhang setzt voraus, daß der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit zu erreichen. Zwar hat das Gericht in früheren Entscheidungen festgelegt, daß ein anderer Ort als die Wohnung als Ausgangspunkt des Weges nach dem Ort der Tätigkeit angesehen werden kann, wenn die Dauer des Aufenthalts an dem anderen Ort so erheblich war, daß der vorausgegangene Weg eine selbständige Bedeutung erlangt und deshalb nicht in einem rechtlich erheblichen Zusammenhang mit der bevorstehenden Aufnahme der Arbeit an der Arbeitsstätte stand. Nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles wurde hier ein Aufenthalt an dem anderen Ort von etwa 1 bis 2 Stunden als erheblich angesehen. Das Gericht hält es nun im vorliegenden Fall für geboten, unter teilweiser Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung zur Erheblichkeit des Aufenthalts an dem fremden Ort den Versicherungsschutz davon abhängig zu machen, daß sich der Versicherte an seinem Zwischenaufenthalt mindestens zwei Stunden aufhält oder aufhalten will .

Da in vorliegendem Fall der Aufenthalt der Klägerin in der Arztpraxis von 1 1/4 Stunden unter der danach anzuwendenden Zweistundengrenze liegt, war die Arztpraxis nicht „dritter Ort” im Sinne der Rechtsprechung. Bei dem Arztbesuch handelte es sich nach der Handlungstendenz um eine dem privaten und persönlichen unversicherten Bereich zuzurechnende eigenwirtschaftliche Tätigkeit , die in keinem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Verkaufsleiterin stand. Während dieser einer privaten Besorgung dienenden Unterbrechung bestand daher kein Unfallversicherungsschutz.

Erst nach Beendigung der eigenwirtschaftlich veranlaßten Unterbrechung und nach Rückkehr auf den gewohnten Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte wäre auf dem weiteren Weg nach dem Ort der Tätigkeit wieder ein Versicherungsschutz gegeben gewesen.

 

Link zur Entscheidung

BSG, Urteil vom 05.05.1998, B 2 U 40/97 R

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