Leitsatz

Nach Art. 5 Abs. 6 Satz 1 der MWSt-Richtlinie 77/388/EWG (6. RL) wird einer → Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt die Entnahme (→ Entnahmen ) eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf, wenn dieser Gegenstand oder seine Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben (→ Vorsteuerabzug ).

Über die Bedeutung dieser Besteuerungsvoraussetzung besteht in der deutschen Besteuerungspraxis nach wie vor keine Klarheit. Hauptanwendungsfall ist die Entnahme des von Privat (ohne Vorsteuerabzugsrecht ) erworbenen Betriebs-Pkw, an dem der Unternehmer Erneuerungs- und Reparaturleistungen aller Art mit Vorsteuerabzugsrecht ausführen ließ. Nach dem BMF-Schreiben v. 13. 5. 1994 (BStBl 1994 I S. 298) konnte insoweit „aus Vereinfachungsgründen” i. d. R. unterstellt werden, dass bei Aufwendungen für Verbesserungen, Reparaturen und Wartungsarbeiten, die 20% der ursprünglichen → Anschaffungskosten für den Gegenstand übersteigen, „Bestandteile in den Gegenstand eingegangen sind”. Der BFH (Urteil v. 30. 3. 1995, VI R 65/93 UR 1995 S. 340) hatte hingegen entschieden, dass sog. → Erhaltungsaufwand nicht den „Gegenstand oder seine Bestandteile” berühre. In einem neuen BMF-Schreiben v. 8.6. 1999 (BStBl 1999 I S. 581) – jetzt zu dem ab 1. 4. 1999 geltenden § 3 Abs. 1b UStG – ist die frühere Vereinfachungsregelung nicht mehr enthalten.

Mangels bisheriger Auslegung der Richtlinienbestimmung durch den (dafür zuständigen) EuGH ist fraglich, ob nachträgliche Reparaturleistungen (aller Art) mit → Vorsteuerabzug das Besteuerungsverbot der Entnahme des ohne Vorsteuerabzug erworbenen Gegenstands überhaupt berühren oder ganz oder teilweise beseitigen können, ob also auch Reparaturen, die z. B. nicht zum Austausch eines Teils des Pkw (Bestandteil) führen, sondern Erhaltungsaufwand sind, jedenfalls dazu führen, dass der „Gegenstand” zu einem teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt” hat, ferner, ob zumindest der Vorsteuerabzug solcher Aufwendungen für den Gegenstand, die bei Entnahme „noch nicht verbraucht” sind, berichtigt werden kann.

Mit Vorlagebeschluss v. 15. 7. 1999, V R 106/98 legte der BFH dem EuGH zur Auslegung von Art. 5 Abs. 6 der 6. RL daher folgende Fragen vor:

  1. 1. Ist diese Bestimmung anwendbar, wenn zwar nicht der Gegenstand selbst zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, wohl aber der Bezug von Dienstleistungen oder Lieferungen, die der Steuerpflichtige für diesen Gegenstand nach dessen Anschaffung in Anspruch genommen oder erhalten hat, z. B. Reparaturen bei einem Pkw?
  2. 2. Was ist unter einem Bestandteil im Sinne dieser Bestimmung zu verstehen?
  3. 3. Wie bemisst sich die Besteuerungsgrundlage bei der → Entnahme , wenn zwar nicht der entnommene Gegenstand, wohl aber einzelne seiner Bestandteile zu einem vollen oder teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben?
  4. 4. Ist der Vorsteuerabzug, den ein Steuerpflichtiger im Zusammenhang mit dem Bezug von Dienstleistungen oder Lieferungen für einen ohne Berechtigung zum → Vorsteuerabzug angeschafften Gegenstand in Anspruch genommen hat, zu berichtigen?
 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 15.07.1999, V R 106/98

Hinweise:

Ein selbständiger Steuerberater hatte 1985 einen Pkw für 33.600 DM von Privat für sein Unternehmen erworben und bis zur Entnahme im Jahr 1991 Aufwendungen in Höhe von – brutto – 16.028,54 DM für Inspektionen, Reparaturen, Reifenwechsel, Einbau eines Katalysators (1987) und einer neuen Windschutzscheibe (1991) mit → Vorsteuerabzug in Anspruch genommen. Das FA setzte USt auf den (unstreitigen) Entnahmewert von 7.500 DM fest mit der Begründung, die Aufwendungen mit Vorsteuerabzugsrecht hätten 20% der ursprünglichen → Anschaffungskosten überstiegen. Das FG ging vom Besteuerungsverbot insgesamt aus. Der BFH gab – im Rahmen der wiedergegebenen Fragen – zu bedenken, dass der Wert einzelner eingefügter Reparaturgegenstände (z. B. Katalysator) bei Entnahme noch nicht vollständig verbraucht war. Er fragte deshalb auch, ob ggf. bei Geltung des Besteuerungsverbots für die Entnahme insgesamt in Bezug auf diese Aufwendungen eine → Vorsteuerberichtigung gem. Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der 6. RL (s. § 15a UStG) in Betracht komme, wenn man die Nichtbesteuerung der Entnahme als „Änderung der Faktoren, die seinerzeit bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugs berücksichtigt wurden”, beurteilen müsste.

Im Vorlagebeschluss v. 15. 7. 1999, V R 8/98 fragte der BFH darüber hinausgehend an:

1. Führen die nachträglichen Karosserie- und Lackarbeiten (mit Vorsteuerabzug) an einem (ohne Berechtigung zum → Vorsteuerabzug erworbenen) Pkw bei dessen Entnahme aus dem Unternehmen dazu

a) dass dieser gemäß Art. 5 Abs. 6 der Richtlinie als Gegenstand, der zum teilweisen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hat, zu beurteilen ist oder dazu,

b) dass die nachträglichen Aufwendungen als Bestandteile des Gegenstands zu beurteilen sind, die zum Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt haben?

2. Falls Frage 1. bejaht wird: W...

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