Leitsatz

* Es stellt einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör dar, wenn das FG auf die Vernehmung eines im Ausland ansässigen Zeugen verzichtet, weil der Kläger diesen Zeugen in der mündlichen Verhandlung nur Hilfsweise benannt, jedoch nicht gestellt hat.

* Leitsatz nicht amtlich

 

Normenkette

§ 76 Abs. 1 Satz 4 FGO , § 90 Abs. 2 AO

 

Sachverhalt

Die Kläger wohnten in den Streitjahren 1982 bis 1991 im Inland und wurden hier als Eheleute zusammen veranlagt. Der Kläger war von 1973 bis 1988 Geschäftsführer einer deutschen GmbH, die zu einem norwegischen Konzern (M-A/S) gehörte. Im Oktober 1973 schloss die M-A/S mit einer Schweizer Aktiengesellschaft (M-AG) – nach Auffassung der FinVerw. einer Domizilgesellschaft – einen Handelsvertretervertrag, wonach die M-AG Produkte der M-A/S gegen Provision verkaufen durfte. Im Dezember 1980 wurde dieser Vertrag durch einen Handelsvertretervertrag zwischen der M-A/S und einer italienischen Werbeagentur (E-SRL) ersetzt, deren Geschäftsführungsmitglied der Kläger war.

Die in den Streitjahren seitens der M-A/S an die E-SRL gezahlten Provisionen behandelte das FA als verdecktes (zweites) Gehalt an den Kläger, das als Arbeitslohn zu besteuern sei.

Im Klageverfahren, das erfolglos blieb, hatte der Kläger "Hilfsweise" im Ausland wohnende Zeugen benannt, die vom FG nicht gehört wurden, und zwar deswegen nicht, weil sie von den Klägern in der mündlichen Verhandlung nicht gestellt (sistiert) worden seien, was nach § 90 Abs. 2 AO erforderlich sei. Das gehe zu Lasten der Klagenden.

 

Entscheidung

Dagegen hatten die Kläger NZB eingelegt: Das FG habe verfahrensfehlerhaft entschieden, weil es dem hilfsweise gestellten Beweisantrag der Kläger wegen der Pflicht zur Sistierung ausländischer Zeugen nicht nachgekommen sei. Einzelheiten ergeben sich aus den Praxis-Hinweisen. Folge: Das Verfahren wurde gem. § 116 Abs. 6 FGO an das FG zum 2. Rechtsgang zurückverwiesen.

 

Hinweis

1. Führen Sie für Ihren Mandanten einen Prozess und berufen Sie sich zur Beweisführung auf Zeugen, welche im Ausland wohnen und nicht ohne weiteres "greifbar" sind, dann sollten Sie bestimmte "Spielregeln" kennen und beachten:

Es entspricht ständiger höchstrichterlicher Rspr., dass ein im Ausland ansässiger Zeuge nicht von Amts wegen geladen, sondern gem. § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO zur Sitzung des FG gestellt ("sistiert") werden muss (z.B. BFH-Beschlüsse vom 3.12.1996, I B 8, 9/96, BFH/NV 1997, 580; vom 26.10.1998, I B 48/97, BFH/NV 1999, 506). In Anbetracht dessen muss das Gericht dem Kläger auch keine besondere Frist zur Gestellung der Zeugen einräumen. Das FG verletzt seine Fürsorgepflicht im Allgemeinen auch nicht dadurch, dass es den fachkundig vertretenen Kläger nicht ausdrücklich auf diese Pflicht, den im Ausland lebenden Zeugen in der Verhandlung zu präsentieren, besonders hinweist.

2. Es gibt jedoch Fälle und Sachverhalte, die hiervon Modifikationen erfordern: Wird z. B. ein Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung erstmals und nur hilfsweise gestellt, erkennbar für die Fälle, dass entweder das FG dem Hauptantrag auf Änderung der angefochtenen Einkommensteuerbescheide aus anderen Gründen und nach Maßgabe der Aktenlage stattgeben oder aber die Zeugenaussagen als nicht entscheidungserheblich einschätzen sollte, dann können die Dinge anders liegen.

Wenn vor diesem Hintergrund seitens der Kläger auf die Sistierung der Zeugen (zunächst) verzichtet wird, darf das Gericht nicht ohne weiteres und nur unter Hinweis auf die Sistierungspflicht die Beweisanträge übergehen und durcherkennen. Es muss vielmehr, falls es die Vernehmung der benannten Zeugen an sich für entscheidungserheblich hielt, entweder den Prozessbevollmächtigten der Kläger auf diese Pflicht – dann ggf. mit der Folge eines Antrags auf Terminsverlegung – hinweisen oder aber von sich aus den Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung beschließen, beides mit dem Ziel, dem Kläger die Möglichkeit zu geben, den Zeugen zu sistieren.

3. Kommt das FG dem nicht nach, dann muss der Kläger nicht ohne weiteres damit rechnen, dass das FG von einer Vernehmung der nicht präsentierten, hilfsweise benannten Zeugen absehen und sogleich in der Sache entscheiden wird. Insofern unterschied sich die Situation letztlich nicht von jener der Vernehmung einer im Inland lebenden Person, die erstmals in der mündlichen Verhandlung als Zeuge benannt wird. Auch der Umstand, dass die Kläger fachkundig vertreten waren, ändert daran nichts.

4. Wird das verfahrensfehlerhafte Vorgehen des Gerichts gerügt, dann muss sich der Kläger allerdings oftmals entgegenhalten lassen, er habe sein Rügerecht verloren, weil er in der mündlichen Verhandlung keine Terminverlegung beantragt hat. Auch dieser Einwand muss allerdings nicht unbedingt tragen: Wurde der Zeugenvernehmungsantrag nur hilfsweise gestellt, dann war hinreichend deutlich, dass der Kläger auf dieser Vernehmung bestehen würde, sollte das Gericht trotz Entscheidungserheblichkeit der Aussage und nach Aktenlage eine Entscheidung zu seinen Lasten...

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