[Ohne Titel]

StB, Dipl.-Kfm. (Univ.) Alexander Moldan[*]

Zur Beantwortung der Frage, ob Schaustellerleistungen auf (ortsungebundenen) Jahrmärkten einerseits und in (ortsgebundenen) Freizeitparks andererseits gleichartig sind, ist auf die "Sicht des Durchschnittsverbrauchers" abzustellen. Was darunter zu verstehen ist, bleibt auch weiterhin der Entscheidung der nationalen Gerichte überlassen. Entsprechend gibt der EuGH diese Beurteilung in dem Urteil C-406/20 an das vorlegende FG Köln zurück, gestattet diesem aber die Hinzuziehung von Sachverständigen.

[*] Der Autor ist als Tax Manager bei der AUDI AG im Bereich Umsatzsteuer tätig. Der Beitrag wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

1. Die Ausgangsfrage

Schaustellerleistungen auf Jahrmärkten und ähnlichen temporären, ortsungebundenen Veranstaltungen sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG i.V.m. § 30 UStDV ermäßigt zu besteuern. Dies gilt – von ständiger BFH-Rechtsprechung[1] bestätigt – allerdings nicht für Schaustellerleistungen, die in ortsgebundenen Freizeitparks erbracht werden. Sie unterliegen nach § 12 Abs. 1 UStG dem Regelsteuersatz. An dieser unterschiedlichen Behandlung hatte das FG Köln Zweifel und legte deshalb mit Vorlagebeschluss vom 25.8.2020 dem EuGH im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens die Frage vor, ob etwaige Unterschiede zwischen Schaustellerleistungen auf (ortsungebundenen) Jahrmärkten einerseits und in (ortsgebundenen) Freizeitparks andererseits die Anwendung unterschiedlicher Steuersätze rechtfertigen; EuGH v. 9.9.2021 – C-406/20 (FG Köln, Urt. v. 25.8.2020 – 8 K 1092/17, Vorabentscheidungsersuchen, s. dazu auch UStB 2020, 337).

2. Der Sachverhalt

Die Klägerin betreibt das Phantasialand, einen in Brühl bei Köln gelegenen Freizeitpark. Den Verkauf der Eintrittskarten zu ihrem Freizeitpark behandelte die Klägerin als Umsätze, die nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Die von der Klägerin begehrte Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf den Verkauf der Eintrittskarten zu ihrem Freizeitpark lehnte das Finanzamt – sich auf ständige BFH-Rechtsprechung stützend – jedoch mit der Begründung ab, dass die Ermäßigungsvorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG auf ortsgebundene Schausteller, wie z.B. Freizeitparks, keine Anwendung findet. Daraufhin erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage. Da das FG Köln die ständige BFH-Rechtsprechung, die in der unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Behandlung von ortsgebundenen und ortsungebundenen Schaustellern keinen Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben sieht, anzweifelte, forderte es den EuGH im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 2 AEUV zur Definition bzw. Abgrenzung der Begriffe "Jahrmarkt", "Vergnügungspark" und "Freizeitpark" sowie zur Konkretisierung der sog. Kontext-Rechtsprechung und des Begriffs "Sicht des Durchschnittsverbrauchers" auf.

3. Die Entscheidung des EuGH – C-406/20

Differenzierung zwischen Jahrmarkt und Freizeitpark erlaubt: Hinsichtlich der vom FG Köln in der ersten Vorlagefrage erbetenen Definition bzw. Abgrenzung der Begriffe "Jahrmarkt", "Vergnügungspark" und "Freizeitpark" führt der EuGH aus, dass diese Begriffe weder in der Mehrwertsteuerrichtlinie noch in der betreffenden Durchführungsverordnung definiert werden. Da insoweit auch kein Verweis auf das Recht der Mitgliedstaaten enthalten ist, handelt es sich um autonome Begriffe des Unionsrechts, die in der gesamten Union eine einheitliche Auslegung erhalten müssen. Hierfür sind sie nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch eng auszulegen, da die Möglichkeit, einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, eine Ausnahme vom Grundsatz der Anwendung des Regelsteuersatzes darstellt. Nach gewöhnlichem Sprachgebrauch bezeichnet der Begriff "Vergnügungspark" ein erschlossenes Gelände mit verschiedenen Einrichtungen zur Entspannung und Unterhaltung, während ein "Jahrmarkt" zwar grundsätzlich auch mit solchen Einrichtungen ausgestattet ist, aber dadurch gekennzeichnet ist, dass er, wenn auch mit gewisser Beständigkeit, temporär stattfindet. Darüber hinaus merkt der EuGH an, dass in Anhang III Nr. 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausdrücklich sowohl "Jahrmärkte" als auch "Vergnügungsparks" genannt sind, was ebenfalls für eine Differenzierung zwischen den beiden Begriffen spricht. Danach fallen unter den Begriff "Jahrmarkt" die Leistungen von Schaustellern auf zeitlich begrenzter Basis mit ortsungebundenen Einrichtungen, während der Begriff "Vergnügungspark" ortsgebundene und damit dauerhafte Schaustellerleistungen umfasst. Demnach ist es Mitgliedstaaten nach Art. 98 i.V.m. Anhang III Nr. 7 Mehrwertsteuerrichtlinie grundsätzlich erlaubt, einen ermäßigten Steuersatz auf die Leistungen von ortsun...

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