Leitsatz

Dritter i.S.v. § 174 Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 AO ist im Verfahren der Organträgerin auch die Organgesellschaft.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG, Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 6. EG-RL, § 73, § 164, § 168, § 174 Abs. 4 und Abs. 5 AO

 

Sachverhalt

Die D-GmbH lieferte 1992 aufgrund eines Verzichts nach § 9 UStG ein Grundstück steuerpflichtig an die GG-GmbH. Die GG-GmbH war seit Februar 1995 Organgesellschaft der Klägerin. 1997 vereinbarte die D-GmbH mit der GG-GmbH die Rückgängigmachung des Verzichts. Die Klägerin ging in Unkenntnis der (späteren) BFH-Rechtsprechung davon aus, dass sie den Vorsteuerabzug für das Widerrufsjahr 1997 zu berichtigen habe und nahm eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs für dieses Jahr vor. In 2004 beantragte die Klägerin gem. § 164 Abs. 2 AO, die Berichtigung des Vorsteuerabzugs für 1997 rückgängig zu machen, da für 1992 zu berichtigen sei. Das FA folgte dem und erließ am 20.1.2005 einen entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheid 1997. Am 30.5.2005 erging zudem ein nach § 174 AO geänderter Umsatzsteuerbescheid 1992 gegenüber der GG-GmbH. Hiergegen legte die GG-GmbH zunächst Einspruch ein und erhob dann eine zulässige Untätigkeitsklage. Während des Klageverfahrens wurde die GG-GmbH auf die Klägerin verschmolzen. Das FG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 26.10.2011, 7 K 7195/07, Haufe-Index 2924126, EFG 2012, 800) gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz. Aufgrund des Ablaufes der Festsetzungsfrist habe für die Umsatzsteuer 1992 kein Vorbehalt der Nachprüfung mehr bestanden. Eine Änderung nach § 174 Abs. 3 AO komme nach Satz 2 dieser Vorschrift nicht in Betracht. Bei Erlass des angefochtenen Änderungsbescheides vom 30.5.2005 für das Abzugsjahr 1992 habe bereits Festsetzungsverjährung für das Widerrufsjahr 1997 vorgelegen, zu der es aufgrund des Änderungsbescheids für 1997 vom 20.1.2005 gem. § 171 Abs. 4 Satz 1 AO mit Ablauf des 24.2.2005 gekommen sei. Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO komme im Hinblick auf das Erfordernis einer Drittbeteiligung gem. § 174 Abs. 5 AO nicht in Betracht.

 

Hinweis

1.Der Unternehmer kann den nach § 9 UStG erklärten Verzicht auf die Steuerfreiheit widerrufen. Dies kann auch nach Ablauf des Kalenderjahres der Leistungserbringung erfolgen (zur zeitlichen Grenze s. BFH, Urteile vom 19.12.2013, V R 6/12 BFH/PR 2014, 271 und V R 7/12 und BFH/PR 2014, 273, in diesem Heft). Hat der Empfänger aus der wegen dem Verzicht zunächst steuerpflichtig bezogenen Leistung den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen, muss er den Vorsteuerabzug aufgrund des Widerrufs berichtigen, da es nunmehr an einer gesetzlichen geschuldeten Steuer fehlt.

Die Berichtigung des Vorsteuerabzugs ist nach der BFH-Rechtsprechung (BFH, Urteil vom 1.2.2001, V R 23/00, BStBl II 2003, 673) nicht für das Jahr vorzunehmen, in dem der leistende Unternehmer den Widerruf erklärt (Widerrufsjahr), sondern für das Jahr, in dem der Leistungsempfänger, den Vorsteuerabzug in Anspruch genommen hat (Abzugsjahr). Der Widerruf des Verzichts kann daher für den Leistungsempfänger zu einem Zinsschaden aufgrund der Vollverzinsung gem. § 233a AO führen.

2.Hat der Leistungsempfänger in Unkenntnis der BFH-Rechtsprechung den Vorsteuerabzug zunächst für das Widerrufsjahr berichtigt, ist diese Berichtigung rückgängig zu machen und stattdessen für das Abzugsjahr zu berichtigen. Ist die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bereits bestandskräftig, ohne dass ein Vorbehalt der Nachprüfung besteht, ist das FA zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs für das Jahr des Leistungsbezugs nur unter den Voraussetzungen von § 174 Abs. 3 und 4 AO berechtigt.

3.Eine Änderung der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr gem. § 174 Abs. 3 AO ist nach Satz 2 dieser Vorschrift ausgeschlossen, wenn für das Widerrufsjahr bereits Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

4. Eine Änderung nach § 174 Abs. 4 AO kann am Erfordernis der Drittbeteiligung (§ 174 Abs. 5 AO) scheitern. Eine derartige Drittbeteiligung kann erforderlich sein, wenn nach dem Abzugsjahr, aber noch vor dem Widerrufsjahr beim Leistungsempfänger eine Organschaft begründet wurde.

a) Hat z.B. eine GmbH in 01 eine aufgrund eines Verzichts steuerpflichtige Leistung bezogen und den Vorsteuerabzug hieraus in Anspruch genommen, wird ab 02 eine Organschaft begründet, durch die die GmbH zur Organgesellschaft wird, und erklärt der leistende Unternehmen den Widerruf des Verzichts in 03, ist die Berichtigung des Vorsteuerabzugs durch die GmbH für 01 vorzunehmen. Hat sich demgegenüber der Organträger für 03 als berichtigungspflichtig angesehen, ist dies rückgängig zu machen. Für die Folgeänderung zulasten der GmbH in 01 gem. § 174 Abs. 4 AO ist dann entscheidend, ob eine Drittbeteiligung (§ 174 Abs. 5 AO) vorliegen muss.
b) Der BFH sieht die Organgesellschaft bei der Korrektur für ein vororganschaftliches Berichtigungsjahr als Dritten i.S.v. § 174 Abs. 5 AO an. Unterbleibt die Beteiligung der Organgesellschaft am Änderungsverfahren beim Organträger für das Widerrufsjahr 0...

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